Buchführungspflicht: Neue Umsatz- und Gewinngrenzen ab 2016

Ab Januar 2016 steigen die Umsatz- und Gewinngrenzen für die kaufmännische Buchführung um 20 Prozent. Dadurch können wieder mehr gewerbliche IT-Selbstständige die EÜR-Privilegien in Anspruch nehmen.
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Buchführungspflicht: Neue Umsatz- und Gewinngrenzen ab 2016

Robert Chromow – Freiberuflicher Autor
Ab Januar 2016 steigen die Umsatz- und Gewinngrenzen für die kaufmännische Buchführung um 20 Prozent. Dadurch können wieder mehr gewerbliche IT-Selbstständige die EÜR-Privilegien in Anspruch nehmen.

Freiberufliche IT-Profis haben’s gut: Sie sind generell von kaufmännischen Buchführungs- und Bilanzvorschriften befreit. Die meisten Freiberufler ermitteln ihren steuerpflichtigen Gewinn daher mit der vergleichsweise einfachen Einnahmenüberschussrechnung (EÜR).

Gewerbliche IT-Selbstständige dürfen die EÜR dagegen nur bis zu bestimmten Umsatz- und Gewinnobergrenzen in Anspruch nehmen. Sind die Geschäfte im Vorjahr gut gelaufen, werden sie buchführungspflichtig. Immerhin: Die Pflicht zum Wechsel der Gewinnermittlungsart besteht erst, nachdem Sie vom Finanzamt darauf hingewiesen worden sind – und zwar erst ab Beginn des darauf folgenden Wirtschaftsjahres.

Teure Aufzeichnungspflichten

Kaufmännische Buchführung, Bilanzen und Jahresabschlüsse sind aufwendig und mühsam. Mithilfe von Expertenbefragungen hat das Statistische Bundesamt versucht, die finanziellen Belastungen des bürokratischen Aufwands zu ermitteln:

  • Allein die handels- und steuerrechtlichen Buchführungsvorschriften verursachen demnach durchschnittliche Kosten von 7.500 Euro pro Betrieb und Jahr. Besonders viel Arbeit machen die doppelte Buchführung, Inventur, Bilanz, Bewertungsfragen und die übrigen Teile des Jahresabschlusses.
  • Nicht buchführungspflichtige Freiberufler, Selbstständige und Kleingewerbetreibende kommen deutlich günstiger davon: Die vereinfachte EÜR-Gewinnermittlung und die dazugehörigen steuerlichen Pflichten schlagen im Schnitt mit „nur“ 3.900 Euro pro Betrieb und Jahr zu Buche.

Eine Befreiung von der Pflicht zur doppelten kaufmännischen Buchführung und Bilanzierung bringt rechnerisch also eine jährliche Entlastung von 3.600 Euro pro Betrieb.

Entlastung um 300 Euro im Monat

Stimmen diese Größenordnungen halbwegs, können sich nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im kommenden Jahr bis zu 140.000 Gewerbetreibende auf eine spürbare monatliche Kostenentlastung von 300 Euro freuen. Denn durch das im Sommer beschlossene Bürokratie-Entlastungsgesetz werden die Umsatz- und Gewinn-Schwellenwerte der Buchführungsvorschriften in § 141 AO und § 241a HGB um jeweils 20 % angehoben: Solange …

  • der Jahresumsatz 600.000 Euro (bislang: 500.000 Euro) und
  • der Jahresgewinn 60.000 Euro  (bislang: 50.000 Euro)

nicht übersteigen, sind selbstständige Gewerbetreibende, Einzelunternehmer und sogar eingetragene Kaufleute (e.K.) von der Pflicht zur kaufmännischen Buchführung und den dazugehörigen Aufgaben befreit. Auch das „Aufstellen des Inventars“ und das Erstellen eines Jahresabschlusses sind entbehrlich. Die Änderung gilt für alle Wirtschaftsjahre nach dem 31.12.2015.

EÜR kurz gefasst

Das Basisrezept für die Gewinnermittlung per Einnahmenüberschussrechnung ist einfach: Man nehme die Summe sämtlicher Einnahmen eines Jahres und ziehe davon die Summe aller Ausgaben ab. Ergebnis ist der steuerpflichtige Gewinn. Waren die Ausgaben höher als die Einnahmen, ergibt sich ein Verlust:

  • Geregelt ist die EÜR-Gewinnermittlung in § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz. Freiberufler und andere EÜR-ler werden daher gelegentlich auch als „4/3-Rechner“ bezeichnet.
  • Besondere Formvorschriften für die Belegsammlung und die internen Aufzeichnungen gibt es nicht.
  • Wer seine Aufzeichnungen in elektronischer Form vornimmt (z. B. per Software), muss jedoch die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ beachten. Die „GoBD“ verlangen vom Steuerpflichtigen insbesondere das Festschreiben von Buchungen und den Schutz gegen nachträgliches Korrigieren oder Löschen von Aufzeichnungen. Änderungen sind nur noch nach vorherigen Stornobuchungen zulässig.
  • Entscheidend bei der Gewinnermittlung ist der Zeitpunkt der Zahlung: Bis auf wenige Ausnahmen zum Jahreswechsel, werden nur die tatsächlichen Einzahlungen und Auszahlungen eines Wirtschaftsjahres berücksichtigt!
  • Ein jährlicher Betriebsvermögens-Vergleich ist nicht erforderlich. Inventur, Vermögens- und Schuldenbewertungen oder verursachungsgerechte Abgrenzung von Wirtschaftsjahren sind ebenfalls entbehrlich.
  • Liegen die Betriebseinnahmen eines Jahres unter 17.500 Euro, darf die Gewinnermittlung formlos erfolgen.
  • Liegen die Betriebseinnahmen darüber, muss die amtliche „Anlage EÜR“ ausgefüllt werden. Darin fragt das Finanzamt ganz gezielt bestimmte Einnahmen- und Ausgabenarten ab. Außerdem müssen die Steuerpflichtigen genaue Angaben über Kostenarten machen, bei denen das Finanzamt teilweise private Veranlassung vermutet (z. B. Raum-, Kfz-, Fahrt- und Bewirtungskosten).
  • Weiter werden in der Anlage EÜR Angaben zu den Abschreibungen (= „Absetzung für Abnutzung“, AfA) und zum „Anlageverzeichnis“ verlangt: Dabei handelt es sich um eine summarische Aufstellung des Betriebsvermögens.
  • Liegen die Schuldzinsen über 2.050 Euro pro Jahr, fordert der Fiskus zudem die „Ermittlung nicht abziehbarer Schuldzinsen“. Die dafür vorgesehene Anlage SZE ist Teil der Anlage EÜR und hat den Zweck, private „Überentnahmen“ von Betriebskonten zu ermitteln. So soll verhindert werden, dass private Schuldzinsen als Betriebsausgaben erscheinen und den zu versteuernden Gewinn zu Unrecht schmälern.
  • Der festgestellte Einnahmenüberschuss (= Jahresgewinn) muss dem Finanzamt bis Ende Mai des Folgejahres im Rahmen der Einkommensteuererklärung mitgeteilt werden. Fristverlängerungen sind auf Grundlage eines formlosen, begründeten Antrags normalerweise kein Problem. Wer sich von einem Steuerberater vertreten lässt, hat in der Regel mindestens bis Ende September des Folgejahres Zeit.
  • Freiberufler tragen ihren Gewinn dabei in die „Anlage S“ (wie „Selbstständige Tätigkeit“) ein. Gewerbetreibende tragen ihren Gewinn in die „Anlage G“ (wie „Gewerbebetrieb“ ein).

Externe Links:

  • Bundesgesetzblatt Nr. 32 v. 31.7.2015: „Bürokratieentlastungsgesetz“ 
  • Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger lt. § 141 Abgabenordnung (AO)
  • Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars lt. § 241a Handelsgesetzbuch (HGB)
  • EÜR-„Grundgesetz“: § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG)
  • Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff: GoBD
Robert Chromow, freiberuflicher Autor

Robert Chromow ist gelernter Industriekaufmann, Betriebswirt und Politikwissenschaftler. Seit zwanzig Jahren arbeitet er als Berater, freiberuflicher Journalist und Autor im eigenen Redaktionsbüro. Print- und Online-Medien geben bei ihm Fach- und Serviceartikel in Auftrag. Außerdem schreibt er Software-Handbücher, Webtexte und Newsletter für Unternehmen.

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