Die Wahlversprechen zur Bundestagswahl im Überblick: Datenschutz, Onlinerechte und e-Government

Die Digitalthemen der Bundestagsparteien im großen Check (Teil 1)

Die Digitalthemen der Bundestagsparteien im großen Check: Mit welchen Konzepten kommt unsere Verwaltung aus dem Papierzeitalter raus? Welche Partei ruft nicht nur wieder “Breitband für alle”, sondern kriegt auch Onlinerechte und Datenschutz zukunftsträchtig in den Griff?
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Die Wahlversprechen zur Bundestagswahl im Überblick: Datenschutz, Onlinerechte und e-Government

Die Digitalthemen der Bundestagsparteien im großen Check (Teil 1)

Florian Schießl – Freiberuflicher Autor
Die Digitalthemen der Bundestagsparteien im großen Check: Mit welchen Konzepten kommt unsere Verwaltung aus dem Papierzeitalter raus? Welche Partei ruft nicht nur wieder “Breitband für alle”, sondern kriegt auch Onlinerechte und Datenschutz zukunftsträchtig in den Griff?

Bei der Glasfaser- und 5G-Mobilfunkabdeckung hinkt Deutschland international weiter hinterher. Elektronische Patientenakte und digitale Amtsgänge sind in Ländern wie Schweden Standard, während wir noch auf Kärtchen und Briefpost setzen. Im europäischen Vergleich sind wir beim Digitalisierungsgrad nur auf Platz zwölf – mit Ländern wie Irland, Estland und Malta vor uns. Dass wir stärker in den digitalen Fortschritt investieren müssen, ist allen großen Parteien vor der Bundestagswahl am 26. September 2021 klar. Wo und wie stark der Hebel angesetzt werden soll – dabei unterscheiden sich die Regierungsanwärter jedoch teils deutlich. Wir haben die Wahlversprechen zum Thema Digitalisierung von AfD, Die Grünen, Die Linke, FDP, SPD und Union in große Themenblöcke aufgeteilt und präsentieren sie in alphabetischer Reihenfolge der Parteien. Den Anfang machen wir mit den Themen Datenschutz, Onlinerechte und e-Government. Fehlt eine Position einer Partei oder ist sie nicht konkret beschrieben, kam sie schlichtweg im Wahlprogramm nicht oder unzureichend erläutert vor.

Digitales allgemein, Datenschutz und Onlinerechte: Internet für alle – aber sicher?

Gemein haben die Wahlkampfprogramme aller angesehenen Parteien, dass Digitalisierung quer durch Deutschland und seine Strukturen stattfinden soll. Auch die Forderung nach einer besseren Breitbandversorgung ist allgegenwärtig. Wie diese umgesetzt wird und welche Rolle persönliche Rechte im digitalen Raum und Datenschutz spielen, ist jedoch unterschiedlich ausgeprägt.

Beim Glasfaser- und Funknetzausbau setzt die Alternative für Deutschland auf kostenfreies nationales Roaming, um allen einen netzunabhängig guten Empfang zu sichern. Die Alternative legt in ihrem Programm einen großen Schwerpunkt auf Datenschutz und Onlinerechte “ohne ausufernde Bürokratie” (S. 182 im Wahlprogramm). Großkonzerne hat sie dabei besonders im Visier: Deren Eingriff in die Privatsphäre ist einzuschränken, die Meinungsfreiheit von Nutzern mehr zu respektieren und das Urteil über die Rechtmäßigkeit von Inhalten soll von den Plattformbetreibern zur Justiz wandern.

Bezüglich Gesetzen setzen sie sich für Grundrechte ein, etwa die Meinungsfreiheit im Internet, sind gegen einen Upload-Filter und für die Abschaffung des Netzdurchsuchungsgesetzes. Die DSGVO soll einem schlanken Datenschutzgesetz weichen und Datenschutzbehörden gestärkt werden. Zentral ist für die AfD auch der Schutz von Bürger:innen: Ende-zu-Ende Verschlüsselung muss Standard werden und die Bekämpfung von Überwachung und Bevormundung von Bürger:innen und Unternehmen durch digitale Techniken haben Priorität.

Die CDU/CSU arbeitet “mit Hochdruck an Gigabit-Anschlüssen” (S. 130) und möchte möglichst schnell 5G Netzabdeckung anbieten. In die Verbesserungsnotwendigkeiten bei Datenschutz und Onlinerechten stimmen auch CDU/CSU mit ein, die Nutzbarkeit von Diensten für den Bürger steht dabei an erster Stelle: Diesbezüglich müssen die DSGVO und der Rechtsrahmen für digitale Plattformen verbessert werden. Und für zukünftige Gesetze setzen sie noch früher den Hebel an: Mit einem “Digital-TÜV vor der Gesetzesberatung” (S.100) soll die Digitalisierungstauglichkeit bei neuen Gesetzen allen voran stehen.

Digitale Angebote möchten die Christsozialen in Sachen Datennutzung transparenter machen – so müssen etwa Einverständniserklärungen und Cookie-Einwilligungen einfacher und klarer erteilt werden.

Die Grünen wollen Glasfaser-Internet in jedem Haus und einen Rechtsanspruch darauf festlegen. Sie legen weiter auf Netzneutralität wert und sprechen sich gegen biometrische Identifizierung im öffentlichen Raum, Ausweitung von Videoüberwachung und anlassloser Vorratsdatenspeicherung aus. Gemäß dieser Partei braucht es außerdem neue Gesetze zum Schutz der Staatsbürger:innen gegen Hasskriminalität und für digitalen Gewaltenschutz. Humanitäres Völkerrecht sollte ihrer Meinung nach auch im Cyberraum angewendet, Plattformen für Inhalte haftbar und die Möglichkeit zur 1-Klick-Online-Kündigung zur Pflicht gemacht werden.

Ansonsten liegt in ihrem Wahlprogramm der Schwerpunkt auf Digitalisierung zu primär grünen Zwecken – also etwa Fahrzeuge vernetzen, regenerative Energie clever verteilen, Bewässerung auf Feldern intelligent machen. Mit digitalen und datengetriebenen Innovationen soll der Energie- und Ressourcenverbrauch reduziert werden, indem wir uns auf sozial-ökologisch nachhaltige und CO₂-neutrale Technologien fokussieren.

Die Linke möchte schnellen Internetzugang mit 10 Mrd. Euro jährlicher Investition erreichen und Datensouveränität zu einem einklagbaren sozialen Grundrecht machen. Der Netzausbau und -betrieb von Breitband- und Mobilfunknetzen gehört ihrer Ansicht nach in öffentliche Hand und mündet in einem einheitlichen Mobilfunknetz. Sie ist gegen Uploadfilter und für Netzneutralität und möchte des weiteren die Digitalisierung stärker regulieren: Digitale Endgeräte bekommen unter ihrer Führung Nachhaltigkeitsvorgaben und Batterien und Elektrogeräte ein Pfandsystem. Bei Softwareprogrammierung werden Daten- und Energiesparsamkeit die Maximen.

Zudem erweist sie sich in ihrem Programm als große Verfechter von Datensicherheit, -schutz und -rechten: Anbieter von Technologien werden Sicherheit “by design” gewährleisten müssen und die Herstellerhaftung für IT-Sicherheit soll auf europäischer Ebene erweitert werden. Bei Betriebssystemen und Anwendungen möchte sie über Open-Source Technik Behörden und Gesellschaft die vollständige Kontrolle zurückgeben.
Auch das Thema informationelle Selbstbestimmung wird bei der Linken groß geschrieben: Öffentliche Angebote sollen genutzt werden können, ohne dass entstehende Daten wirtschaftlich verwertet werden. Zudem ist sie gegen digitale Überwachung und möchte die Sanktionsfähigkeit der DSGVO und von Strafverfolgungsbehörden gegen digitale Gewalt ausbauen.

Mobilfunk und Glasfasernetz möchte auch die FDP durchsetzen, der Aufbau von 5G soll bis 2025 abgeschlossen sein. Privathaushalten und KMUs soll ein Teil der Kosten für den Ausbau erstattet werden. Ansonsten konzentrieren sich die Freien Demokraten vor allem auf Datenschutz, Onlinerechte sowie freiheitliche Aspekte: Selbstbestimmung, Transparenz, Datenschutzrecht und Cybersicherheit gehören ihnen zufolge gestärkt sowie die Netzneutralität nachdrücklicher geschützt. Sie möchten das Recht auf Anonymität in der Öffentlichkeit stärker auf den digitalen öffentlichen Raum ausgedehnt sehen und sind dementsprechend auch gegen die lückenlose digitale Überwachung.

Im Wahlprogramm der SPD wird schnelles Internet sogar garantiert: 1 GB/s Bandbreite für alle Haushalte und Unternehmen ist die Marschroute. Zudem soll es auch bei geringem Einkommen dank einem Sozialtarif bezahlbar sein. Neben einer Haltung pro Netzneutralität, gegen Klarnamenpflicht sowie einer europäischen Cloud-Infrastruktur ist auch den Sozialdemokraten die Weiterentwicklung von Schutz und Rechten bei Daten wichtig. Nach ihrem Dafürhalten braucht es ein Datengesetz, das das Gemeinwohl in den Mittelpunkt rückt: Eine vertrauenswürdige Daten-Teilen-Infrastruktur, öffentliche Datentreuhänder und große Konzerne, die ihre Daten für das Gemeinwohl teilen. Sie möchten die DSGVO verbessern, die Datenschutzbehörde besser ausstatten und gegen Hasskriminalität, Betrug & Co. konsequenter vorgehen, indem sie nationale Schutzvorschriften im Strafgesetzbuch und Netzwerkdurchsuchungsgesetz weiterentwickeln.

Verwaltung/Öffentlichkeit: bürgerorientiertes E-Government

Von allen Bereichen wird in der öffentlichen Verwaltung von den Parteien der größte Digitalisierungsbedarf ausgemacht. Durch alle Parteiprogramme zieht sich der Wunsch, digitale Verwaltungsstrukturen anzubieten, die sich in Sachen Nutzungsoptimierung und Datenschutz an den Bürger:innen ausrichten.

Die Alternative für Deutschland möchte zwar auf Basis von quelloffener Software das E-Government ausbauen, indem digitale Verwaltungsprozesse verschlankt und vereinheitlicht werden – geht aber von allen Parteien auf das Wie am wenigsten genau ein. Fest steht für diese Partei jedoch, dass es kein bereichsübergreifendes Personenkennzeichen bei modernisierten Verwaltungsregistern geben darf, denn das ließe das Erstellen von verfassungswidrigen Persönlichkeitsprofilen zu.

Ansonsten spielen auch in diesem Themenblock bei der AfD die Themen Sicherheit und Rechtssicherheit die größte Rolle: So soll das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zur Behörde des digitalen Verbraucherschutzes ausgebaut, die Behörden der Gefahrenabwehr digital modernisiert und eine zentrale Meldestelle für Rechtsverletzungen auf Plattformen geschaffen werden. Für die Rechtsdurchsetzung im Netz werden zusätzlich Schwerpunkt-Justizzentren auf Länderebene sorgen.

Digitale Vorfahrt fordern CDU/CSU in ihrem Programm: “Alles, was digital werden kann, soll digital werden. Alles, was standardisiert werden kann, soll standardisiert werden.” (S. 97) Demnach soll vor allem das Onlinezugangsgesetz beschleunigt werden, wodurch alle Leistungen der Verwaltung für die Bürger:innen online zugänglich werden. Das gilt auch für das digitale Unternehmenskonto, eine “Unternehmensplattform Deutschland (...) für alle wirtschaftsrelevanten Verwaltungsdienstleistungen der föderalen Ebene” (S. 97). Zugriff auf alle Verwaltungsvorgänge erhalten Bürger:innen mit einer persönlichen, digitalen Brieftasche mit elektronischen Identifizierungswerkzeugen, Signaturen und sicheren Postfächern sowie einem europaweit anwendbaren digitalen Personalausweis, der als Alternative zu Anmeldungen bei privaten Plattformen und Identifikationsangeboten dienen soll. Ausgesteuert wird das alles von einem neugeschaffenen Bundesministerium für digitale Innovation und Transformation.

Das Bündnis 90 / Die Grünen verfolgt die Vision eines “digitalen, anstragslosen und proaktiven Sozialstaats” (S. 70): Über einen zentralen E-Government-Zugang sollen dabei Leistungen des Staats barrierefrei und ohne komplizierte Anträge geprüft und automatisch bereitgestellt werden. Bürger:innen bekommen dabei über eine EU-weit interoperable digitale Identität Zugang auf einen so genannten Mobilpass mit Mobilitäts- oder Serviceangeboten in den Bereichen Justiz, Gesundheit etc. Darüber hinaus sollen auch die aktive Beteiligung der Bürger:innen an der Gesetzgebung über ein digitales Portal etabliert und einfache Rechtssachen künftig per Online-Verfahren geklärt werden können.

Daten und Software sollen nach den Wahlversprechen der Grünen besser nutzbar werden: Die Partei sieht ein öffentliches Dateninstitut samt gesetzlichem Forschungsauftrag vonnöten, um Antworten beispielsweise zu gesellschaftlichen Grundsatzfragen schneller verfügbar zu haben. Für Deutschlands Mobilität sehen sie Open Data und offene Schnittstellen als Rückgrat, um Tarifverbünde, Sharing- und Ridepooling-Dienste mit Echtzeitinformationen und einem einheitlichen Ticketsystem digital zu verbinden und zu vereinfachen. Die Digitalisierung von Bahnnetz und Auto müsse ebenso vorangetrieben werden, gerade bei Letzterem gehe es um “mehr Mobilität bei weniger Verkehr” (S. 14).

Die Linke erläutert nicht genau, wie eine digitalisierte öffentliche Verwaltung aussehen soll. Fest stehen jedoch zwei Prioritäten: Dass Bürger:innen bei der Interaktion mit Verwaltungen Datenhoheit haben müssen und dass die nötige Software als freie Software in allen Städten und Verwaltungen zur Verfügung zu stehen hat.

Die Mobilität der Zukunft geht auch in diesem Parteiprogramm mit einer zentralen Plattform einher. Im Programm der Linken ist es eine öffentliche App, die perspektivisch Verkehrsangebote aller europäischen Regionen gemeinsam anbietet. Anbieter von Verkehrsdienstleistungen sollen dabei verpflichtet werden, aggregierte Verkehrsdaten bereitzustellen.

Auch die FDP möchte in der Verwaltung ein einheitliches Portal für alle personenbezogenen Daten, sie geht jedoch technologisch noch einen Schritt weiter als die Grünen: Künstliche Intelligenz sowie Virtual und Augmented Reality sollen barrierefreie und virtuelle Amtsgänge ermöglichen – natürlich bei hohen Datenschutz-Standards. Davor steht eine umfassende Föderalismus- und Verwaltungsreform und die Digitalisierung mit agilen Herangehensweise an, geleitet durch ein neu zu schaffendes Ministerium für digitale Transformation.

Auch beim Thema Sicherheitsapparat und Rechtsstaat rufen die Liberalen nach Modernisierungen: Ein Digitalpakt soll die Polizei auf Stand bringen und im Rechtswesen sollen virtuelle Verhandlungen, gerade bei geringfügigen Forderungen, Einzug erhalten. Wie für die meisten Parteien hält die FDP innovative Mobilitätsdienste ebenso für förderungswürdig – sie möchten sich dabei v.a. für faire Wettbewerbsbedingungen für alle Dienstleister einsetzen.

Die SPD möchte ihre Vision einer durchgängig digitalisierten Verwaltung schon bis 2030 realisiert wissen. Spezifisch wird das Programm hier nur bei der Software (öffentlich finanziert, wo möglich open-source) und dem Datenschutz: Der Bürger soll selbstständig Berechtigungen vergeben und löschen können.