Umfrage-Ergebnis: Verhandlungssache Stundensatz
Gesteigertes Selbstbewusstsein trifft auf wachsende Zurückhaltung
Stundensatzverhandlungen sind für ihre Akteure meist mit mehreren Fragezeichen verbunden: Ist der geforderte Stundensatz für mein Gegenüber überhaupt attraktiv oder katapultiert er mich vorzeitig aus dem Rennen? Welchen Spielraum nach oben oder unten habe ich? In welchen Dimensionen sind Zuschläge bzw. Rabatte durchsetzbar? Wie hoch kann ich pokern, um meine Preisvorstellung zu realisieren?
Für beide Vertragspartner ist es äußerst hilfreich, die finanziellen Spielräume der jeweils anderen Seite auszuloten, um für sich selbst das Bestmögliche herauszuholen. Orientierungshilfe bietet das vorliegende Umfrage-Ergebnis. GULP befragte 481 IT-Freiberufler und 40 Projektanbieter, in welcher Höhe Zuschläge und Rabatte für sie verhandelbar sind und wie sie die Honorarforderungen im IT-Projektmarkt generell einschätzen. Erste unübersehbare Diskrepanzen ergeben sich demnach hinsichtlich der Stundensatzhöhe:
Frage an IT-Freiberufler:
Wie liegen Sie mit Ihren Stundensatzforderungen bei Honorarverhandlungen?
Frage an Projektanbieter?
Wie liegen Freiberufler mit ihren Stundensatzforderungen bei Honorarverhandlungen?
Während der prozentual größte Anteil (41 %) der IT-Freiberufler meint, mit ihren Honorarforderungen genau ins Schwarze zu treffen, sehen das die befragten Projektanbieter etwas anders. Für über die Hälfte (55 %) von ihnen sind die verlangten Stundensätze schlichtweg zu hoch. Damit ist ihr Anteil im Vergleich zum Jahr 2003 um 34 % gewachsen. Damals befanden sich die Stundensätze der Freiberufler weiter im freien Fall, der erst im Jahr 2005 gestoppt wurde. Die einsetzende Erholung der Freiberufler-Stundensätze zeigt also offenbar bei den Projektanbietern erste Wirkung. Während die eine Seite versucht, ihren derzeitigen Status weiter durchzusetzen, steuert die andere Seite dagegen. Erste Maßnahme: Geringere Zuschläge als noch vor drei Jahren akzeptieren.
Frage an IT-Freiberufler: Wie viel schlagen Sie auf Ihren Stundensatz auf, wenn Sie in einer anderen Stadt arbeiten sollen (Unterbringung, Fahrtkosten ...)? (Durchschnittswert) Frage an Projektanbieter: Wie viel kann ein Freiberufler auf seinen Stundensatz aufschlagen, wenn er in einer anderen Stadt arbeitet? (Durchschnittswert) | |||||||||||||||
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Während die IT-Freiberufler mit konstanten 16 Euro überraschen, die sie für entstehende Kosten bei einem heimatfernen Projekteinsatz aufschlagen, kalkulieren die Auftraggeber in solchen Fällen mit maximal 13 Euro. Damit haben sie ihre ehemals große Spendierfreudigkeit spürbar gedrosselt. Sie zahlen nur noch die Hälfte dessen, was im Jahr 2003 möglich gewesen wäre. Für IT-Freiberufler ergibt sich damit in solchen Fällen deutlich weniger Verhandlungsspielraum. Oftmals werden solche Verhandlungen durch die im IT-Projektmarkt vorherrschenden all-in-Preise von vornherein im Keim erstickt.
Frage an IT-Freiberufler: Wie viel Prozent schlagen Sie auf Ihren Stundensatz auf, wenn ein Projekt eine sehr kurze Laufzeit hat? (Durchschnittswert) Frage an Projektanbieter: Wie viel Prozent kann ein Freiberufler auf seinen Stundensatz aufschlagen, wenn ein Projekt eine sehr kurze Laufzeit hat? (Durchschnittswert) |
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Handelt es sich um ein sehr kurzes Projekt rechtfertigt das nach Meinung der Freiberufler einen Stundensatzzuschlag von bis zu 14 %. Die Projektanbieter halten dagegen 10,5 % mehr Geld für vollkommen ausreichend. Vor drei Jahren waren die Rollen noch gänzlich anderes verteilt: Damals waren die freiberuflichen IT-Spezialisten bei der Kalkulation ihrer Zuschläge sehr viel zaghafter als sie hätten sein müssen. Jetzt legen sie ein neues Selbstbewusstsein an den Tag, während die Projektanbieter die Notbremse ziehen. Diese Beobachtung bestätigt sich auch beim Thema "Rabatte".
Frage an IT-Freiberufler: Wie viel Prozent würden Sie einem Projektanbieter Rabatt geben, wenn ein Projekt eine extrem lange Laufzeit hat? (Durchschnittswert) Frage an Projektanbieter: Wie viel Prozent sollte ein Freiberufler Rabatt geben, wenn ein Projekt eine extrem lange Laufzeit hat? (Durchschnittswert) |
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Für Projektanbieter und IT-Freiberufler scheint gleichermaßen zu gelten: Werden sie in die finanzielle Pflicht genommen, dann möchten sie diese in einem geringeren Rahmen wahrnehmen als es die Gegenseite erwartet. Und so hätten auch die Anbieter gerne etwas höhere Rabatte als die Freiberufler geben möchten. Aber auch das war nicht immer so, denn im Jahr 2003 waren externe Projektmitarbeiter mit ihren Rabatten großzügiger als von ihnen erwartet wurde. Eine langfristige Projektauslastung war damals aufgrund des Überangebots von IT-Spezialisten wie ein Sechser im Lotto. Meist bestimmte der Preis über den Projektzuschlag, so dass höhere Rabatte trotz schon geringerer Stundensätze ein erfolgversprechendes Mittel waren, um den Kunden für sich zu gewinnen. Seit dem Jahr 2004 hat sich die Auftragslage für freiberufliche IT-Spezialisten spürbar verbessert und damit natürlich auch ihre Verhandlungsposition.
Frage an IT-Freiberufler: Wie viel Prozent lassen Sie vom Stundensatz nach, wenn Sie ein Projekt im Wesentlichen in Heimarbeit durchführen können? (Durchschnittswert) Frage an Projektanbieter: Wie viel Prozent sollte ein Freiberufler vom Stundensatz nachlassen, wenn er ein Projekt im wesentlichen in Heimarbeit durchführen könnte? (Durchschnittswert) |
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Für den Luxus, vom Home-Office zu arbeiten, räumt der Freiberufler seinem Kunden gerne einen Rabatt ein. Dieser bewegt sich in 2006 mit rund 11 % auf einem ähnlichem Niveau wie noch 2003. Die Projektanbieter dagegen würden für dieses Arbeitsmodell gerne einen noch höheren Nachlass sehen.
Insgesamt lassen sich folgende Tendenzen feststellen:
In Krisenzeiten gewähren beide Seiten deutlich mehr Verhandlungsspielraum und nehmen sich mit ihren Forderungen eher zurück. Deutet sich wirtschaftliche und finanzielle Entspannung an, versucht jede Seite, soviel wie möglich für sich selbst herauszuholen. Es wird mehr Selbstbewusstsein bei den Forderungen und höhere Zurückhaltung bei den Zugeständnissen an den Tag gelegt. Auffällig ist, dass die gemachten Einschnitte bei den Projektanbietern deutlich höher ausfallen als bei den IT-Freiberuflern. Der Kampf ums Honorar wird damit wieder härter.