Skurril oder lustig: Die unglaublichsten DSGVO-Fälle

Darf ich meinen Nachbarn auf offener Straße noch mit Namen ansprechen? Sie können es ja mal versuchen, aber achten Sie auf die DSGVO-Beamten ohne Namensschild. Was nach Fasching klingt, sind reale Auswüchse der DSGVO, über die man oft nur noch lachen kann.

Die DSGVO treibt hierzulande ab und an schon seltsame Früchte. Besonders wenn gesetzestreue Hardliner ins Spiel kommen, bleibt manchmal nur eines: ein lautes, herzliches Lachen. Wir zeigen Ihnen einige interessante Fälle aus dem Kleingärtnerverein ...

DSGVO beim Einkaufen

Das hat sich wohl auch der Besitzer der Fleischerei Walter gedacht. Es gibt doch tatsächlich Menschen, die möchten aus DSGVO-Gründen beim Einkaufen nicht mehr mit ihrem Namen angesprochen werden. Nun, wenn man „Dr. med Wurst“ hieße, könnte man das ja noch verstehen, aber die Familie Walter nahm’s gelassen und hing einen Hinweis ins Schaufenster:

"Achtung! In unserer Fleischerei fragen wir Sie manchmal nach Ihrem Namen und merken uns, welches Fleisch Ihnen am liebsten ist. Wenn Ihnen das nicht recht ist, rufen Sie beim Betreten der Fleischerei laut: ICH BIN NICHT EINVERSTANDEN! Wir werden dann zukünftig so tun, als würden wir Sie nicht kennen."

Wenn Sie also auch in anderen Läden Personen antreffen, die laut „ich bin nicht einverstanden!“ rufen, sollten Sie deren Namen gleich wieder vergessen. Es könnte sonst ein Klage nach sich ziehen.
Manche Geschäfte haben sich der Unsicherheit ihrer Kunden auch angenommen und zur Aufklärung bislang völlig verkannter Begriffe beigetragen, so zum Beispiel Edeka:

In diesem Regal gibt es Cookies.
Sie können diese akzeptieren und in Ihren Einkaufswagen laden.
Cookies dienen dazu, Ihnen den Alltag zu versüßen.
Cookies sind leckere Kekse, die auf Ihren Hüften gespeichert werden können.
Bei ausreichender Bewegung werden diese wieder gelöscht.

Sollten Ihnen weniger die Cookies selbst, als eher die vielen Cookie-Warnungen aufs Gemüt schlagen, versuchen Sie doch einmal das bestimmt DSGVO-konforme „I don’t care about cookies“-Plug-in für Google Chrome. So können Sie alle Cookies von den Hüften Ihres Browsers nehmen, ohne dafür mit einer Cookie-Warnungskanonade büßen zu müssen. 

Skurriler Datenschutz am Klingelschild

Der Name einer Person ist wohl die personenbezogendste Information schlechthin. Entsprechend hysterisch fielen die ersten Reaktionen aus. Der deutsche Zentralverband „Haus & Grund“ empfahl seinen Mitgliedern vorsorglich, bei allen Mietwohnungen die Namensschilder der Mieter zu entfernen. 

Man hätte vielleicht auch mit den Mietern reden können, ob sie es denn „angebracht“ finden, ihren Namen bei der Klingel zu sehen – sie wären wohl die einzigen, die etwas dagegen haben und die DSGVO-Keule auspacken könnten. 

In Wien ging man da noch weiter: Die kommunale Hausverwaltung „Wiener Wohnen“ entfernte nach der Beschwerde eines (!) Mieters 220.000 Klingelschilder und tauschte die Namen gegen die Wohnungsnummern aus. 

Leider war diese Aktion etwas kurzsichtig, denn an den Briefkästen muss laut Postgesetz schon der Name stehen, damit der Postbote die Briefe auch richtig einwerfen kann. Schilda lässt grüßen. 
Dabei sind sich die meisten Experten (auch rechtlich) einig: Klingelschilder sind kein DSGVO-Problem. 

Besonderer Schutz, besondere Maßnahmen

Kinder stehen laut DSGVO unter besonderem Schutz, auch für Gesundheitsdaten gelten strengere Maßstäbe.

Ein Kindergarten aus Dormagen hat deshalb seinen Kindern nach dem Ausscheiden ein Fotoalbum überreicht, in dem alle Kindergesichter geschwärzt waren, bis auf das Gesicht des eigenen Kindes – wegen der DSGVO. Der Erinnerungswert eines solchen Albums ist natürlich überschaubar, genauso wie die Begründung. Auch hier gilt: Hätte man dafür die Einwilligung der Eltern eingeholt, wäre die bildliche Erinnerung an die frühkindliche Zeit keine Aneinanderreihung schwarzer Löcher geworden. 

Anders als im Einkaufsladen (wo man natürlich den Namen des Kunden erinnern darf und nicht aus seinem Kopf löschen muss, falls dieser es verlangt; denn die entsprechende DSGVO-Bestimmung bezieht sich nur auf „strukturierte Dateiablagen“ und nicht auf Gehirne), sind Sie als Patient im Wartezimmer vollständig DSGVO-geschützt: Wenn Sie es nicht wollen, dürfen Sie nicht mit Namen gerufen werden. Konform sind hier zum Beispiel Nummernsysteme und Aufrufe wie “0815 bitte zum Arzt”. Wenn Sie dann aufstehen, ist Ihnen der Respekt der anderen Wartenden sicher ...

Die Datensparsamkeit verlangt auch, dass an Universitäten und Schulen keine Namenslisten mit Noten mehr öffentlich ausgehängt werden dürfen. Dort dürfte man dann nur noch Matrikelnummern finden, was dem Ganzen wohl jeden Reiz nimmt: Denn sein Charme lag ja gerade darin zu sehen, wie gut die Streber aus dem Kurs abgeschnitten haben.

Transparenz bis zur gläsernen Kommunikation

Vielleicht war den Personen, die die DSGVO formulierten, auch gar nicht klar, was sie anrichten. Denn: Ein User kann verlangen zu erfahren, was an Daten eine Firma über ihn speichert und auch verlangen, dass er sie bekommt und sie gelöscht werden. Das betrifft – und jetzt kommt’s – auch alle E-Mails, in denen er mit personenbezogenen Daten (also Name, Kundennummer) vorkommt, genannt wird und Daten über ihn ausgetauscht werden. 

Da wäre es doch mal den Versuch wert, eine kräftige Beschwerde-Mail (natürlich nur eine gut begründete…) an diverse Stellen einer Firma (inklusive Geschäftsführer, IT-Leiter, etc.) zu schicken und nach zwei Monaten die Herausgabe aller E-Mails zu verlangen. Darüber sollten sich zahlreiche Erkenntnisse über die interne Kommunikation der Firma ziehen lassen. Der Datenschutzexperte Stefan Panic von DLA Piper hält das für rechtlich vertretbar. 

Natürlich sind die besagten Früchte und skurrilen Ideen, die um die DSGVO ranken, wie jedes gute Produkt unserer Fantasie skalierbar: Schon die WhatsApp-Freigabe für den Zugriff auf die Kontakte im Smartphone (ohne die WhatsApp nur leidlich gut funktioniert), die dann zu Facebook abfließen (ist ja schon passiert), ist ein Verstoß gegen die DSGVO. Wen man dafür aber zur Rechenschaft zieht, – den User, WhatsApp-Verantwortliche oder Mark Zuckerberg – müssen wohl erst Gerichte feststellen. Aber gut zu wissen, oder? :-)

Fazit

Sie dürfen Frau Müller von nebenan immer noch Frau Müller nennen, wenn Sie das auf der Straße tun – es sei denn, Sie sind Arzt und sprechen sie im eigenen Wartezimmer an. Wobei das zukünftig gar nicht mehr so einfach sein wird, wenn nur noch „Apartment 0815“ am Klingelschild der Nachbarin steht. Jemanden mit „0815“ ansprechen, ist aber nicht sehr nett. Vielleicht halten Sie es ähnlich wie der 90-jährige Ehemann, der seine Frau seit 10 Jahren nur noch mit "Schatz" ruft, weil er ihren Namen vergessen hat. Ein "Hi Du" klingt auf alle Fälle charmanter. Danke DSGVO!