Hauptberuflich oder nebenberuflich selbstständig bei der Krankenversicherung melden

Der Übergang vom Arbeitnehmer zum Freiberufler oder Selbstständigen ist oft fließend. Zunächst werden aus einer Vollzeitbeschäftigung heraus die Grundpfeiler des Unternehmertums gelegt, um die Sicherheit des festen Gehalts nicht zu gefährden. Dann reduzieren die angehenden Selbstständigen im nächsten Schritt die Arbeitszeit im Angestelltenverhältnis ein wenig, um mehr Zeit in das eigene Business investieren zu können. 

Das Ziel ist dabei meist ein vollständiger Wechsel in die Selbstständigkeit, der allmählich erfolgen soll. Bei dieser klassischen Konstellation stellt sich die Frage: Wie lange ist der Job im Angestelltenverhältnis eigentlich mein Hauptberuf? Und wann wird aus der Selbstständigkeit im Nebenjob ein Vollzeitjob, während das Angestelltenverhältnis diesen Status dann verliert? Was ein wenig wie Haarspalterei klingt, hat tatsächlich massive Auswirkungen auf den Status des Betroffenen in der Krankenversicherung – und natürlich auch für seine Versicherungsbeiträge. 

Hauptberuflich oder Nebenberuflich selbstständig: Konsequenzen für die Krankenversicherung 

Arbeitgeber finanzieren die Krankenversicherung bei nebenberuflich Selbstständigen mit. Wer hauptberuflich selbstständig ist, ist jedoch nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Das hat weitreichende Konsequenzen: Auf das Arbeitnehmergehalt sind keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mehr fällig. Der Betroffene darf wählen, ob er zukünftig Mitglied einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung (PKV) wird oder lieber freiwillig weiter in der GKV versichert bleibt. 

Wirtschaftlich bedeutet das je nach Einkommen einen herben Einschnitt für den Arbeitnehmer auf dem Weg in die Selbstständigkeit: Die Beiträge für die Gesundheitsvorsorge steigen ggf. kräftig an, gleichzeitig fällt der Arbeitgeberanteil weg. Auf der anderen Seite kann die Feststellung einer hauptberuflichen Selbstständigkeit den Weg in die PKV öffnen, der vielleicht als Angestellter mangels entsprechendem Einkommens (noch) nicht offen gewesen wäre. Auch andere Versicherungen ändern sich mit der Selbstständigkeit: In der gesetzlichen Arbeitslosen- und Unfallversicherung sowie (bis auf wenige Ausnahmen) in der Rentenversicherung sind Selbstständige keine Pflichtmitglieder.

Der Hintergrund der Regelung ist übrigens nachvollziehbar: Sie soll verhindern, dass findige Selbstständige und Unternehmer sich mithilfe einer (kleinen) versicherungspflichtigen Beschäftigung den umfassenden Versicherungsschutz der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung verschaffen – ohne selbst einen dem Einkommen angemessenen Beitrag zur „Finanzierung der Solidargemeinschaft“ beizutragen.

Wann bin ich hauptberuflich selbstständig? 

Es stellt sich damit die Frage, wann ein Arbeitnehmer hauptberuflich selbstständig wird. Einen Anhaltspunkt liefert die Begründung zur Gesetzgebung § 5 Abs. 5 SGB V, (BT-Drucks. 11/2237 S. 159). Darin heißt es: “Hauptberuflich ist eine selbstständige Erwerbstätigkeit dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt.” Eine Konkretisierung erfährt diese Regelung im Gesetz selbst: Wer als Selbstständiger mindestens mehr als einen Minijobber beschäftigt, bei dem wird vermutet, dass er hauptberuflich selbstständig ist. Wer also als nebenberuflicher Unternehmer Mitarbeiter hat, der wird automatisch zum hauptberuflichen Unternehmer.

Haupt- oder nebenberuflich selbstständig ohne Mitarbeiter: Was sind die Kriterien?

Was aber gilt bei “Einzelkämpfern”, die eben keine Mitarbeiter beschäftigen? Als Maßstab für die „wirtschaftliche Bedeutung“ gilt das Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen:

  • Das Arbeitsentgelt von Arbeitnehmern (= „Beschäftigten“) ist das Bruttogehalt.
  • Das Arbeitseinkommen von Selbstständigen ist der nach den Steuervorschriften ermittelte Gewinn bzw. Einnahmenüberschuss.

 Als „zeitlicher Aufwand“ gilt

  • bei Arbeitnehmern die Wochenarbeitszeit laut Arbeitsvertrag,
  • bei Selbstständigen der Zeitaufwand für die „eigentliche Ausübung der selbstständigen Tätigkeit“ plus Zeiten für Vor- und Nacharbeiten sowie Verwaltungsaufgaben (Werbung, Akquise, Buchhaltung, Steuern etc.)

Der zeitliche Aufwand und der finanzielle Ertrag mehrerer verschiedener selbstständiger Tätigkeiten oder Beschäftigungen werden dabei zusammengerechnet.

Sind das Arbeitseinkommen und der zeitliche Aufwand in der selbstständigen Tätigkeit höher als im Angestelltenverhältnis, ist von einer selbstständigen Tätigkeit im Hauptberuf auszugehen. Bei der Prüfung sind der wirtschaftliche Faktor, das Arbeitseinkommen, und der Zeitfaktor gleich stark zu gewichten. Das Arbeitseinkommen wird dabei gegenübergestellt, der Zeitaufwand muss abgeschätzt werden. 

Dazu gelten einige Grundannahmen: Ergibt die Bewertung der Tätigkeit zum Beispiel, dass sie mehr als halbtags ausgeübt wird, ist sie als hauptberuflich anzusehen. Im Umkehrschluss wird immer von einer Nebenberuflichkeit ausgegangen, wenn ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nebenberuflich tätig wird – ganz gleich, wie hoch der Gewinn aus der Selbstständigkeit ist. Hintergrund: Eine Vollzeitbeschäftigung lässt einfach keinen Raum für eine parallele hauptberufliche Selbstständigkeit. Eine Hauptberuflichkeit im Anstellungsverhältnis wird ebenfalls angenommen, wenn Arbeitnehmer regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden arbeiten und damit mehr als 50 % der „monatlichen Bezugsgröße“ von zurzeit 3.535 Euro verdienen. 

Die Krankenkasse entscheidet: Nebenberuflich selbstständig oder nicht

Ergibt sich auf Basis der Grundannahmen noch kein eindeutiges Bild, wird in der „Gesamtschau des Einzelfalls“ geprüft, welche Beschäftigungen oder selbstständige Tätigkeiten „deutlich überwiegen“. Von einem deutlichen Überwiegen ist immer dann auszugehen, wenn der zeitliche Aufwand und der finanzielle Ertrag einer Einkommensart um 20 Prozent größer sind als bei einer anderen. Der prozentuale Anhaltspunkt beim Vergleich von Arbeitszeit und Einkommen ist keine fixe Größe, sondern dient lediglich der Orientierung.

Da zur Bestimmung der Hauptberuflichkeit zwei verschiedene Merkmale herangezogen werden, kann es zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen (kurze Arbeitszeit mit relativ hohem Einkommen oder lange Arbeitszeit mit relativ geringem Einkommen). Entscheidend sind daher im Zweifel immer die konkreten Details des Einzelfalls.

Ansprechpartner für eine Feststellung einer hauptberuflichen Selbstständigkeit mit den geschilderten Konsequenzen ist die Krankenkasse. Sie prüft die Versicherungspflicht und teilt dem Arbeitnehmer schriftlich das Ergebnis der individuellen Prüfung mit.