Data Analytics, Security, Fullstack-Entwicklung & Co.: IT trifft Gesundheitswesen

Interview mit Dr. Florian Weiß von Jameda

Wir trafen Dr. Florian Weiß, Geschäftsführer von Jameda, dem größten Arzt-Patienten-Portal in Deutschland auf der Medical Innovation Night in München. Dort erzählte er uns, was sich gerade technologisch auf der Plattform tut und welche Experten benötigt werden. 
Dr. Florian Weiß, jameda

Data Analytics, Security, Fullstack-Entwicklung & Co.: IT trifft Gesundheitswesen

Interview mit Dr. Florian Weiß von Jameda

Maria Poursaiadi – GULP Redaktion
Wir trafen Dr. Florian Weiß, Geschäftsführer von Jameda, dem größten Arzt-Patienten-Portal in Deutschland auf der Medical Innovation Night in München. Dort erzählte er uns, was sich gerade technologisch auf der Plattform tut und welche Experten benötigt werden. 

GULP: Das Corona-Virus hält die Welt in Atem. Inwieweit berührt die Pandemie Euch als Jameda?

Dr. Florian Weiß: Wie immer, wenn ein Virus ausbricht, ist es der erste Reflex der Menschen, einen Arzt aufzusuchen und dafür versuchen wir Hilfestellung zu geben. Insofern schauen wir, wie wir bei der richtigen Wahl des Arztes unterstützen können. Wir helfen aber auch bei der Frage, mit welchen Symptomen Patienten zum Arzt gehen sollten und ob sie vielleicht, wenn sie potentiell gefährdet sind, nicht zum Arzt gehen. Corona hat den Trend zur Digitalisierung des Arzt-Patienten-Verhältnisses noch einmal enorm beschleunigt. 

Und schon fiel das Stichwort für die wirklich interessanten Fragen für unsere IT- und Engineering-Spezialisten: Digitalisierungs-Trends: Welche beobachtest Du in Deinem Umfeld, die für Jameda relevant werden könnten?

Dr. Florian Weiß: Für uns ist das Spannende, dass der Gesundheitsmarkt noch recht „unterdigitalisiert“ ist. Wenn man sich anschaut, dass wir im Privatleben fast alles digital über das Smartphone organisierten. Die meisten Technologien sind mittlerweile Cloud-basiert. Im Gesundheitsbereich ist das anders. Die Kommunikation zwischen Patienten und Arzt, aber auch zwischen einzelnen Ärzten verläuft heute noch häufig offline. Nun sehen wir in vielen Bereichen, dass sich das ändert, da verschiedene Gruppen erkannt haben, welche Vorteile in der Digitalisierung liegen. Wir haben mit Jens Spahn einen Gesundheitsminister, der sehr viel in dieser Hinsicht auf den Weg gebracht hat. Zudem haben inzwischen fast alle Akteure im Gesundheitswesen erkannt, dass wir die Effizienz der Medizin erhöhen können, wenn wir sie digitalisieren. Das führt zu einem enorm gestiegenen Interesse an unseren digitalen Services, insbesondere an unserem Cloud-basierten Kalender für Arztpraxen, der Online-Terminbuchung sowie der Videosprechstunde. 

Die Terminvereinbarung ist aktuell unser größtes Wachstumsfeld und der Termin beim Arzt fungiert gewissermaßen als Kristallisationskern weiterer Services zwischen Arzt und Patient. Um diesen Arzttermin herum – unabhängig davon, ob er in der Praxis oder via Videosprechstunde stattfindet – sehen wir noch Innovationspotential. Zum Beispiel: Wie können wir bereits in Vorbereitung des Termins unterstützen? Kann man bereits über Algorithmen und gezielte Fragen Rückschlüsse auf das Krankheitsbild ziehen? Kann man über eine digitale Anamnese Diagnose-unterstützend wirken? Was passiert nach dem Arzttermin eigentlich? Kann ich den Patienten zum Beispiel an seine Medikamente erinnern? Kann ich über Nachfragen oder über gezielte Daten, die von Wearables gezogen werden, Rückschlüsse auf den Heilungsverlauf ziehen? Welche weiteren Daten können dem Arzt noch helfen, den Heilungsverlauf zu monitoren und frühzeitiger beim Patienten zu sein, wenn Dinge nicht wie gewünscht verlaufen? Da gibt es also ganz, ganz viele Themen, die uns beschäftigen, weil sie den Arzt-Patienten-Kontakt besser machen und die Chance auf Heilung erhöhen. Und das letzte ist, glaube ich, ein Megatrend: Wie kann künstliche Intelligenz dafür sorgen, die medizinische Versorgungsqualität zu erhöhen? Als Paradebeispiel gilt hier das Feld „Medical Imaging“, also die KI-unterstützte Auswertung von Befunden in der Radiologie. Viele Studien zeigen, dass KI den Arzt schon heute dabei unterstützen kann, deutlich verlässlichere Ergebnisse zu erzielen.

Welche Technologien werden bei Jameda eingesetzt?

Dr. Florian Weiß: Wir haben auf jameda.de jeden Monat ungefähr 7 Millionen Patienten, die nach dem passenden Arzttermin suchen. Zudem sind dort alle niedergelassenen Ärzte in Deutschland gelistet. Wir sehen uns als digitales Bindeglied zwischen diesen beiden Gruppen und wollen die Interaktion zwischen Arzt und Patient unterstützen. Heilung kann nur partnerschaftlich gelingen, insofern arbeiten wir daran, auf unserer Plattform echte und vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Arzt und Patienten zu ermöglichen. 

Technologisch gesprochen hat das bei uns vornehmlich mit Cloud-basierten Lösungen zu tun. Unser Praxiskalender ist beispielsweise ein Stück Software, mit dem Ärzte ihr komplettes Termin-Management sicher, modern, effizient und digital in der Cloud verwalten können. Patienten interagieren mit diesem Buchungssystem bei uns im Frontend, wenn sie Termine haben möchten. Alternativ kommen sie auch über die Homepage des Arztes auf das System, wenn dieser unser Widget nutzt. Wir setzen hier React als Frontend-Technologie ein, um allen Usern, egal über welches Endgerät sie kommen, die möglichst beste User-Experience zu geben. 

Im Kern geht es natürlich darum, die Systeme des Arztes bestmöglich mit denen des Patienten zu verbinden. Das ist in der heutigen Systemlandschaft mit eher geschlossenen Praxisverwaltungssystemen und ohne echte digitale Schnittstelle zum Patienten kaum möglich. Das gleiche gilt für die Video-Sprechstunde: Über eine sichere und nach den Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zertifizierten Peer-to-Peer-Technologie ermöglichen wir eine direkte digitale Kommunikation zwischen Arzt und Patient, die so vorher noch nicht möglich war. Dienste wie FaceTime oder auch WhatsApp können eine datenschutzkonforme Übertragung dieser sensiblen Gesundheitsdaten nicht gewährleisten und sind in diesem Bereich daher nicht zugelassen.

Also ist Datenschutz ein großes Thema?

Dr. Florian Weiß: Unbedingt! Immer wenn es um personenbezogene Daten geht. Aber natürlich umso mehr, wenn es um Gesundheitsdaten geht, die ja weitaus sensibler sind. Wir nehmen hier unsere Verantwortung sehr ernst. Die Patienten schenken uns mit der Nutzung unserer Services großes Vertrauen und wir gehen mit diesem Vertrauen verantwortungsvoll um. Alles was wir tun ist daher selbstverständlich DSGVO-konform und vieles geht sogar darüber hinaus, zum Beispiel was Verschlüsselungstechnologien angeht. 

GULP:  Wir haben jetzt sehr viel über Datenschutz gesprochen. Datenanalyse ist aber auch ein großer Bereich?

Dr. Florian Weiß: Genau! Wir schauen uns immer an, inwieweit anonymisierte und nicht gesundheitsbezogene Daten den Ärzten und Patienten in der Aggregation echten Mehrwert stiften, also die Versorgung effizienter machen. Können wir beispielsweise erkennen, dass in bestimmten Gebieten bestimmte Symptome häufig gesucht werden und spezifische Behandlungsarten stark nachgefragt sind, können Ärzte ihr Angebot in diesen Bereichen ausweiten und es über unsere Plattform und unsere Services direkt anbieten. Ein einfaches Beispiel wäre hier die Heuschnupfenzeit und die Nachfrage nach Allergologen.

Eine weitere Datenquelle sind die Erfahrungsberichte der Patienten, die ihren Arztbesuch beschreiben. Daraus lassen sich sehr viele Rückschlüsse und Ratschläge für den Arzt ableiten. Wir können dem Arzt zum Beispiel auch Hinweise geben, wie er seine Praxis besser auslastet oder wie er sein Termin-Management optimiert. Aus den Nutzungsdaten unseres Praxiskalenders geht beispielsweise hervor, wie viel Wartezeit seine Patienten im Durchschnitt in der Praxis haben, wie viel Zeit ein bestimmter Arzt für einen bestimmten Behandlungsgrund veranschlagt und ob er diese Zeiten einhält oder ob es zu Verzögerungen kommt. Es gibt also einen bunten Strauß an Themen, bei denen uns Daten dabei helfen, das Leben von Ärzten und Patienten einfacher zu machen.

Data Security, Data Analytics, DSGVO-Kenntnisse – da sind ja schon einige Skills benannt. Was für Experten wären noch interessant, wenn Du an die nächsten Projekte denkst?

Dr. Florian Weiß: Also wir suchen eigentlich immer in allen Bereichen. Das Data-Team braucht immer wieder Experten. Wir suchen Produktmanager, wir suchen Entwickler fürs Front- und fürs Backend sowie Fullstack-Entwickler. Wir arbeiten mit React, JavaScript und PHP. Wir haben in unserer Produktentwicklung aber nicht nur spannende Positionen für Entwickler. Wir suchen auch Performance Marketing-Manager, Scrum Master und Agile Coaches. Du siehst, wir sind ein stark wachsendes Team, das für verschiedenste Talente tolle Aufgaben bietet. Auch in 2020 werden wir weiter stark wachsen. 

Worin siehst Du den absoluten Mehrwert Deiner Plattform Jameda? Was ist denn der USP?

Dr. Florian Weiß: Mit über 70.000 Ärzten, zu denen wir eine Vertragsbeziehung haben, und 7 Millionen Usern lernt Jameda, Tag für Tag, Arzt und Patient besser zu verstehen. Unser Antrieb ist es, diese Stellung zwischen Arzt und Patienten zu nutzen, um beide Seiten gewinnbringend miteinander zu verbinden, sodass Patienten von einer schnelleren und besseren Heilung und effizienteren Abläufen profitieren. Auf Basis unseres tiefen Verständnisses für Patienten und Ärzte soll eine echte Partnerschaft erwachsen, die die Versorgung nachhaltig verbessert.

Jetzt haben wir viel von Ärzten und Patienten gesprochen. Sind das die einzigen Zielgruppen?

Dr. Florian Weiß: Das sind unsere Hauptzielgruppen. Auf der Seite der Behandler haben wir natürlich beispielsweise auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder Heilpraktiker auf der Plattform. Im Kern geht es immer darum, Patienten und Behandler zusammenzubringen.