Scheinselbstständigkeit: Reform des Statusfeststellungsverfahrens

Bleibt alles anders? Das sind die Änderungen im Detail

Scheinselbstständig oder nicht? Das Statusfeststellungsverfahren des Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) wurde endlich überarbeitet. Ein schlankerer Prozess soll ab Januar 2022 schneller Klarheit für Freiberufler:innen und Auftraggeber:innen schaffen. Die Reform beseitigt jedoch nicht alle Kritikpunkte von Interessenverbänden wie dem Bundesverband für Selbstständige Wissensarbeit (ADESW) oder dem Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD).
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Scheinselbstständigkeit: Reform des Statusfeststellungsverfahrens

Bleibt alles anders? Das sind die Änderungen im Detail

Florian Schießl – Freiberuflicher Autor
Scheinselbstständig oder nicht? Das Statusfeststellungsverfahren des Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) wurde endlich überarbeitet. Ein schlankerer Prozess soll ab Januar 2022 schneller Klarheit für Freiberufler:innen und Auftraggeber:innen schaffen. Die Reform beseitigt jedoch nicht alle Kritikpunkte von Interessenverbänden wie dem Bundesverband für Selbstständige Wissensarbeit (ADESW) oder dem Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD).

Unsicher, potentiell ebenso aufwendig wie teuer, insgesamt eine latente Gefahr für den Markt  – die Liste der Kritikpunkte aus Sicht vieler Unternehmen und Selbstständigen im Projektmarkt zur Rechtslage bezüglich Scheinselbstständigkeit in Deutschland ist altbekannt und lang. Stein des Anstoßes ist unter anderem das Statusfeststellungsverfahren, mit dem die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) überprüft, ob ein freier Experte im Kundenprojekt als selbstständige Person handelt, oder scheinselbstständig und damit sozialversicherungspflichtig ist. Schon lange fordern Freiberufler:innen, Auftraggeber:innen und Interessenverbände wie der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschlands (VGSD) oder der Bundesverband für Selbständige Wissensarbeit (ADESW) eine Überarbeitung dieses Verfahrens.

Interessensverbände kritisieren „demokratisch fragwürdige Vorgehensweise”

Relativ überraschend hat der Deutsche Bundestag am 20. Mai 2021 beschlossen, dass es zum Januar 2022 einige Änderungen am Statusfeststellungsverfahren geben wird. Das geschah nicht ganz ohne Protest von Interessenverbänden wie dem Bundesverband für Selbstständige Wissensarbeit (ADESW) oder dem Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD). Für sie sei nicht nachvollziehbar, wie „ein wichtiges Anliegen für Selbstständigkeit in einer unangemessenen Form politisch behandelt wird”, heißt es in einer Protestnote von 36 Berufs- und Interessenverbänden. Die “kurzfristige und nahezu geheime politische Abwicklung dieses Gesetzesvorhabens” stehe im Widerspruch zu den Auswirkungen darauf, wie Selbstständigkeit in Deutschland in Zukunft möglich ist.

Die wesentlichen Änderungen am Statusfeststellungsverfahren

Der Bundesverband für selbständige Wissensarbeit hat die geplanten Änderungen im betroffenen § 7a des SGB IV unter die Lupe genommen und die wesentlichen Aussagen des neuen Gesetzestextes zusammengefasst und teils kommentiert:

  • Feststellung der Versicherungspflicht ist kein Element des Statusfeststellungsverfahrens mehr: Ob aufgrund einer Beschäftigung die Pflicht zu Sozialversicherung & Co.entsteht oder nicht, wird nicht mehr Teil des Verfahrens sein. Im Statusfeststellungsverfahren wird künftig nur noch der Erwerbsstatus geklärt, also ob eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt. Ist die Beschäftigung abhängig, müssen die Themen Sozial-, Renten- und Krankenversicherung noch separat geklärt werden.
  • Prognoseentscheidung: Mit der Reform wird es bereits vor Aufnahme der Tätigkeit eine Entscheidung über den Erwerbsstatus geben können. Grundlage sind die vertraglichen Regelungen und die beabsichtigte Vertrags aus- oder -durchführung. Unterscheidet sich diese später in der Praxis, wird es eine Möglichkeit zur Korrektur der Entscheidung geben.
  • Tätigkeiten für einen Dritten: Das Dreiecksverhältnis aus Selbstständigen,Contracting-Unternehmen und Kunden wird mit der Gesetzesänderung umfassender geprüft werden können. Zukünftig wird die DRV einen Kunden direkt bezüglich  eines Statusfeststellungsverfahrens ansprechen können. Kundenunternehmen wiederum werden nach der Gesetzesänderung ein Statusfeststellungsverfahren selbst beantragen können.
  • Gruppenfeststellung: Wenn Art und Umstände der Ausführung übereinstimmen und einheitliche vertragliche Vereinbarungen gelten, kann  in Bezug auf einen bestimmten Auftraggeber  eine Gruppenfeststellung beantragen werden. Die DRV wird sich dann entsprechend „gutachterlich zum Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen” äußern können. Diese Prüfung kann nur durch das Unternehmen selbst oder die dort tätigen Selbstständigen angestoßen werden, nicht aber durch ein beteiligtes Contracting-Unternehmen.
  • Mündliche Anhörung: Neu hinzu wird für alle Beteiligten eines Verfahrens auch die Möglichkeit kommen, einen Antrag auf mündliche Anhörung zu stellen.
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Fazit: Das eigentliche Problem der Rechtsunsicherheit wird nicht behoben

„Die Zeit muss zeigen, ob und wie genau die neuen Möglichkeiten im Paragrafen angenommen werden. Absehbar ist jedoch, dass ein Verfahren zur Bestimmung der Scheinselbstständigkeit zukünftig schneller Klarheit bringen könnte”, so Carlos Frischmuth, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes für selbständige Wissensarbeit e.V. “Klar zu bemängeln ist aber, dass auch das neu ausgestaltete Gesetz an den zugrundeliegenden Kriterien zur Entscheidung über Scheinselbstständigkeit nichts ändert. Die Chance wurde vertan, trennscharfe inhaltliche Kriterien einzuführen, um zwischen abhängig Beschäftigten und Selbstständigen zu unterscheiden”, kritisiert Frischmuth.

Das überarbeitete Gesetz wird die Nöte der Freelancer:innen also wohl nicht wesentlich lindern. Auch über Unternehmen schwebt weiterhin bei Beauftragung von Freiberuflern ein schwer einzuschätzendes Damoklesschwert aus rechtlichen und finanziellen Konsequenzen. Die Kritik an der Politik, durch die Rechtslage die Wettbewerbsfähigkeit der Soloselbstständigen zu schädigen, wird demnach ebenso erhalten bleiben.