Fast vier Stellen pro Jobsuchenden: Rekord-Engpass in Ingenieurwesen und Informatik

In diesen Branchen und Regionen gibt es die größte Nachfrage

Wo und in welcher Branche haben Ingenieure die größten Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Der Ingenieurmonitor, herausgegeben vom VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., nimmt jedes Quartal die Arbeitsmarktlage für festangestellte Ingenieure unter die Lupe. Die aktuellen Ergebnisse zeigen: Ingenieur:innen werden händeringend gesucht. Aber: Die Not ist je nach Bundesland unterschiedlich hoch. Und Arbeitslose gibt es dennoch.
Zwei Männer am Reden mit Warnweste und Schutzhelm - bunte Farben

Fast vier Stellen pro Jobsuchenden: Rekord-Engpass in Ingenieurwesen und Informatik

In diesen Branchen und Regionen gibt es die größte Nachfrage

Florian Schießl – Freiberuflicher Autor
Wo und in welcher Branche haben Ingenieure die größten Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Der Ingenieurmonitor, herausgegeben vom VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., nimmt jedes Quartal die Arbeitsmarktlage für festangestellte Ingenieure unter die Lupe. Die aktuellen Ergebnisse zeigen: Ingenieur:innen werden händeringend gesucht. Aber: Die Not ist je nach Bundesland unterschiedlich hoch. Und Arbeitslose gibt es dennoch.

Er ist wieder da. Der berühmte Fachkräftemangel im deutschen Ingenieurwesen. Durch die Pandemie in Deutschland hat natürlich auch die Nachfrage nach Ingenieur:innen und Informatiker:innen gelitten, weshalb das Thema zwischenzeitlich in der (medialen) Versenkung verschwunden war. Aber jetzt läuten die Alarmglocken lauter denn je. Denn der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hat im April zusammen mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) den “VDI-/IW-Ingenieurmonitor 4. Quartal 2021” herausgebracht. Und nicht mal eine drohende konjunkturellen Abkühlung durch den Ukraine-Krieg bewegt den VDI zu einer Zukunftsprognose mit weniger Engpass-Dramatik.

Stellenangebot: Corona locker weggesteckt

Während Corona war die Großwetterlage noch wie überall: Ein drastischer Einbruch bei den offenen Stellen. 117.400 offene Stellen im vierten Quartal 2019 reduzierten sich auf 92.400 in Q4 2020. Quartal um Quartal ging es dann wieder bergauf. 140.000 offene Stellen bedeuten zu Ende 2021 nicht nur einen deutlich höheren Wert als zu Beginn der Corona-Einschnitte (+19,2 Prozent), sondern auch einen Rekord seit Aufzeichnungsbeginn zum Ingenieurmonitor in 2011.

Welche Ingenieure sind gesucht?

Die beliebtesten Berufskategorien nach offenen Stellen sind Informatiker:innen (48.800), Bauingenieur:innen (41.700) und, mit einigem Abstand, Energie- und Elektrotechniker:innen (19.300). Die insgesamt +51,4 Prozent freien Stellen im Vergleich zum Vorjahr zeugen von einem Aufwärtstrend in allen Ingenieursbereichen, mit kleiner Ausnahme der Metallverarbeitung (-2,0 Prozent). Besonders stark profitieren Fachkräfte, die nach Festanstellungen in der Technischen Forschung und Produktionssteuerung (+102,7 Prozent) sowie in der Energie- und Elektrotechnik (+98,7 Prozent) suchen.

Insgesamt zeigt sich im Offene Stellen Index schon seit 2011 ein beinahe stetiger Aufwärtstrend, der besonders seit Januar 2021 nochmals stark angezogen hat.

In welchen Regionen werden Ingenieure gesucht?

Und wo sollten Jobsuchende am besten fahnden? Wenig überraschend finden sich, absolut gesehen, die meisten offenen Stellen in den flächenmäßig größten Bundesländern: Bayern (26.700), Nordrhein-Westfalen (23.000) und Baden-Württemberg (21.100) – nur Niedersachen fehlt hier. Relativ gesehen gibt es den größten Zuwachs jedoch im relativ kleinen Hessen (+99,5 Prozent). Zudem legten Baden-Württemberg (66,0 Prozent) und das Gebiet Berlin/Brandenburg (63,5 Prozent) besonders stark zu.

Die aktuelle Arbeitsmarktsituation für Ingenieure

Als die Corona-Krise voll einschlug, grassierte die Arbeitslosigkeit auch unter den Ingenieur:innen und Informatiker:innen am heftigsten: 45.500 Personen suchten im letzten Quartal 2020 nach einer Festanstellung. Ein Jahr später sind es nun schon 20,5 Prozent weniger (36.128). Mehr als Hälfte der Arbeitssuchenden (53 Prozent) kommt dabei aktuell aus den Bereichen Informatik (9.712) sowie Technische Forschung und Produktionssteuerung (9.288). Stärkste Gewinner dieses Trends sind die Kategorien "sonstige Ingenieurberufe" (-30,7 Prozent Anzahl der Arbeitslosen), Ingenieurberufe im Bereich Rohstoffgewinnung (-28,2 Prozent), die Informatikerberufe (-21,9 Prozent) und die Maschinen- und Fahrzeugtechnik (-21,8 Prozent). Größter Verlierer ist abermals die Metallverarbeitung – aber selbst die verzeichnete immerhin 9,1 Prozent Rückgang in Sachen Arbeitslosenzahl.

Arbeitslosigkeit: Rückgang in allen Landen

In allen Regionen Deutschlands lag der Rückgang der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr bei über 17 Prozent. Im traditionell starken Süden sowie in der Mitte Deutschlands nahm die Arbeitslosigkeit dabei stärker ab als im Bundesdurchschnitt: Die größten Zugpferde sitzen mit -24,1 sowie -22,8 Prozent in Bayern und Baden-Württemberg, gefolgt von Hessen (-22,1 Prozent), Sachsen-Anhalt/Thüringen (-21,3 Prozent) und Sachsen (-21,0 Prozent).

Engpasssituation: Fast vier Stellen für eine Fachkraft

Das Flaggschiff des regelmäßig erscheinenden Monitors von VDI und IW ist die sogenannte Engpassziffer – die Zahl der offenen Stellen je 100 Arbeitslose. Hier zeigt sich die ganze Dramatik, die sich aus dem Mehr an offenen Stellen (+51,4 Prozent) und weniger Arbeitslosen (-20,5 Prozent) seit dem vierten Quartal 2020 ergibt: Binnen eines Jahres ist die Engpassziffer um 90,6 Prozent auf 387 gestiegen. Ergo haben 100 arbeitslose Ingenieur- und Informatiker:innen die Wahl aus 387 offenen Stellen. Besonders groß ist der Wettkampf um Ingenieur:innen (660), Energie- und Elektrotechniker:innen (557) und Informatiker:innen (502). Und selbst bei Metallverarbeitung hat sich diese Ziffer um 7,8 Prozent erhöht, einem in diesen Statistiken eher notorischem Schlusslicht.

In diesen Regionen ist der Fachkräftemangel besonders groß

Wo drückt der Schuh besonders? Allen voran im Osten und im Süden: In Sachsen-Anhalt/Thüringen (Engpassziffer 547) und Sachsen (523) ist die Situation durch die demografische Entwicklung besonders dramatisch, in Bayern (520) wegen des hohen Beschäftigungswachstums. Den kleinsten Engpass gibt es im Gebiet Berlin/Brandenburg, wo auf 100 Arbeitslose “nur” 253 offene Stellen fallen.

Ingenieure aus dem Ausland: Unabdingbar zur Bedarfsdeckung

Wenig überraschend hat die Bedeutung von ausländischen Beschäftigten im letzten Jahrzehnt zugenommen: Seit 2012 gibt es 100,7 Prozent mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte aus dem Ausland, mittlerweile sind es bald 100.000 (93.325 im Juni 2021) in Ingenieur- und Informatikerberufen. Der Ausländeranteil stieg entsprechend von 6,0 auf 9,5 Prozent an. Neben der Zuwanderung aus der EU sowie gleichgestellten Staaten wie der Schweiz, Norwegen und UK (+61,0 Prozent seit 2012), steigerten sich bevölkerungsreiche Drittstaaten wie Indien (+147 Prozent seit 2012) besonders stark.

Der Ingenieurmonitor nennt vor allem die Strategie der Fachkräftesicherung der Bundesregierung sowie die Zuwanderung über Hochschulen als Erfolgsfaktoren dafür, dass ein signifikanter Anteil (23 Prozent) des Beschäftigungszuwachses in Ingenieurberufen auf die Zuwächse bei der ausländischen Beschäftigung zurückgehen. Die Bedeutung von Zuwanderung für die Fachkräftesicherung und Innovationskraft in Deutschland sei aber noch höher einzuschätzen, als es die Statistik ausgebe, da viele Zuwandernde nach einigen Jahren die hiesige Staatsangehörigkeit erwerben.

Keine Region ist so bunt wie Berlin

Die Arbeitskräfte aus dem Ausland verteilen sich stark unterschiedlich auf die Bundesländer. Prozentual arbeiten in Berlin am meisten ausländische Personen in Ingenieurberufen (16,1 Prozent aller Beschäftigten), gefolgt von Hamburg und Bayern (je 11,8 Prozent). Den niedrigsten Ausländeranteil der westdeutschen Bundesländer weist Schleswig-Holstein mit einem Anteil von 4,6 Prozent auf.

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Fachkräftemangel: Eine Zukunftsprognose

VDI und IW rechnen für die Zukunft mit einer weiteren Verschärfung der Engpässe und sehen auch den Ukraine-Krieg nicht als nachhaltigen Dämpfer. Auf der Angebotsseite sei da der demografische Wandel, der für zu wenig Fachkräftenachwuchs sorge.  Auf der Nachfrageseite treibe die Digitalisierung und der Klimaschutz an.