Mitversicherung von Freelancern über den Auftraggeber

Versicherungsirrtümer im IT-Projektgeschäft

 

"Ich bin über meinen Auftraggeber mitversichert." Ist das so? Die Mitversicherung als IT-Freiberufler über den Versicherungsvertrag des Auftraggebers ist erstens sehr selten und zweitens durchaus kritisch zu betrachten.
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Mitversicherung von Freelancern über den Auftraggeber

Versicherungsirrtümer im IT-Projektgeschäft

 

Ralph Günther
"Ich bin über meinen Auftraggeber mitversichert." Ist das so? Die Mitversicherung als IT-Freiberufler über den Versicherungsvertrag des Auftraggebers ist erstens sehr selten und zweitens durchaus kritisch zu betrachten.

IT-Freiberufler tragen immer ein Haftungsrisiko, wenn sie Projektverträge abschließen – egal, ob mit Auftraggebern oder Projektvermittlern. Denn bei einem Schaden haften sie im Zweifelsfall unbegrenzt mit ihrem Privatvermögen. Ralph Günther ist nunmehr seit 8 Jahren als Versicherungsmakler auf die Beratung von IT-Experten spezialisiert. Schon sehr häufig musste er feststellen, dass vielfach Missverständnisse in der Beurteilung der Haftungssituation bestehen. Eine mehrteilige Serie in der GULP Knowledge Base wird über einige dieser Irrtümer aufklären, die sich im IT-Projektmarkt herausgebildet haben und über Foren gerne weiterverbreitet werden.

Irrtum 1: "Ich bin über meinen Auftraggeber mitversichert."

Dieser erste Irrtum ist einer, der sehr häufig von IT-Freiberuflern geäußert wird. Oft werden dabei die pauschalen Aussagen von Projektvermittlern oder Auftraggebern wiedergegeben. Die Mitversicherung als IT-Freiberufler über den Versicherungsvertrag des Auftraggebers ist jedoch erstens sehr selten und zweitens durchaus kritisch zu betrachten.

Wer ist Freelancer und wer ist Subunternehmer?

Versicherungen definieren den Freelancer teilweise als Subunternehmer und teilweise als freien Mitarbeiter – meist mit dem Zusatz: "In den Geschäftsbetrieb des Versicherungsnehmers (VN) eingebunden". Bei den meisten Versicherern gehören jedoch, sofern das in den Versicherungsbedingungen überhaupt explizit geregelt ist, nur die freien Mitarbeiter zu den mitversicherten Personen. Die Folge ist, dass diese von der Versicherung des Auftraggebers nicht in Regress genommen werden können.

Subunternehmer gehören nicht zu den mitversicherten Personen und können daher vom Versicherer nach der Schadenabwicklung in Regress genommen werden. Das bedeutet, der Versicherungsschutz bezieht sich aus Sicht des Auftraggebers nur auf die Vergabe von Leistungen an Subunternehmer, nicht jedoch auf die Mitversicherung desselben.

Beispiel: Ein Webdesigner beauftragt im Rahmen eines Projekts einen Subunternehmer mit der Datenbankprogrammierung. Aufgrund der fehlerhaften Programmierung kommt es zu einem Schadenfall. Die Haftpflichtversicherung des Webdesigners leistet Schadenersatz gegenüber dem Kunden. Im zweiten Schritt nimmt die Versicherung den Programmierer in Höhe des geleisteten Schadenersatzes in Regress, da der Schaden nicht vom Versicherungsnehmer (Webdesigner) verursacht wurde.

Meist gibt es jedoch keine Definition der Versicherer, wer letztendlich als freier Mitarbeiter oder als Subunternehmer zu bewerten ist und damit mitversichert ist. Dadurch besteht bei einem Schaden natürlich die Gefahr, dass der Versicherer im Zweifelsfall den IT-Freiberufler in Regress nimmt.

Ist die Mitversicherung tatsächlich Bestandteil des Projektvertrags?

Aufgrund der beschriebenen Abgrenzungsproblematik ist die Mitversicherung des Freelancers nicht mit letzter Sicherheit geklärt. Meist werden diese Aussagen nur mündlich getroffen. Rechtlich verbindlich sind aber nur schriftliche, z. B. im Projektvertrag festgehaltene Regelungen. Diese einzelvertraglichen Regelungen können jedoch den Versicherungsschutz des Auftraggebers gefährden.

Im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist geregelt, dass durch einen vertraglichen Regressverzicht des Auftraggebers an den Auftragnehmer der Versicherer leistungsfrei wird. Dadurch untergräbt der Auftraggeber immerhin die gesetzliche Regressmöglichkeit seines Versicherers.

Daher werden Sie meist keine schriftlichen Vereinbarungen zur Mitversicherung bekommen – und damit auch nicht die gebotene Rechtsverbindlichkeit.

Was bedeutet eigentlich Mitversicherung?

Mitversicherung bedeutet, dass bei Ansprüchen Dritter (z. B. eines Kunden, für den der Freelancer tätig wird) der Versicherer im Rahmen des bestehenden Versicherungsvertrages den Schaden reguliert. Von dieser Regulierung ausgeschlossen sind bestimmte Teilbereiche wie:

  • vereinbarte Selbstbeteiligungen (bei großen Auftraggebern sind Summen im fünf- oder sechsstelligen Bereich üblich),
  • Schadenersatzansprüche im Rahmen der Ausschlüsse des Versicherungsvertrages oder
  • nicht versicherte Tätigkeiten.

In diesen Bereichen wird der Auftraggeber trotz Mitversicherung den Freelancer für den entstandenen Schaden in Regress nehmen. Den Freiberufler würde nur eine vertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung durch den Auftraggeber schützen. Der Erfahrung nach werden aber solche Haftungsfreistellungen prinzipiell nicht gewährt.

Problematisch ist ebenfalls, dass der Freelancer in aller Regel keine Kenntnis über den tatsächlichen Vertragsinhalt hat, solange ihm nicht eine Kopie des Versicherungsvertrages und der Versicherungsbedingungen vorgelegt wird. Auch hat der IT-Freiberufler keine Möglichkeit, Schäden direkt mit dem Versicherer abzuwickeln, da nicht er der Versicherungsnehmer ist. Das heißt, die Vertragshoheit liegt beim Auftraggeber und alles ist von seiner Mitwirkung abhängig.

Gerade vor der im IT-Projektmarkt üblichen Arbeitspraxis, verschiedene Projekte über unterschiedliche Auftraggeber bzw. Projektvermittler abzuwickeln, erscheint die Mitversicherung wenig praktikabel. Sie bezieht sich immer auf das konkrete Projekt beim aktuellen Auftraggeber und setzt voraus, dass alle Auftraggeber den Freelancer mitversichert haben. Das ist in der Praxis sicherlich eher die Ausnahme als die Regel.

Arbeitet der IT-Freiberufler für zwei Projekte parallel, kann dadurch die Situation entstehen, dass für das eine Projekt Versicherungsschutz besteht und für das andere nicht. Oder: Der eine Auftraggeber hat eine Selbstbeteiligung von 25.000 Euro vereinbart, beim nächsten sind es "nur" 10.000 Euro. In beiden Fällen haftet der Freelancer trotz Mitversicherung selbst, und zwar in Höhe dieser Summen.

"Eingebunden sein" und Scheinselbstständigkeit

Wie bereits erwähnt, ist für Versicherer die Einbindung des freien Mitarbeiters in das versicherte Unternehmen (Auftraggeber) ein wichtiges Kriterium für die Mitversicherung. Im Projektvermittlungsgeschäft wird jedoch in aller Regel der Freelancer nicht in den Betrieb des Projektvermittlers (mit dem er den Vertrag geschlossen hat), sondern in den Betrieb des Kunden eingebunden bzw. eingegliedert sein. Wird "Remote" gearbeitet, trifft auch dies nicht zu. In jedem Fall fehlt jedoch eine der Voraussetzungen für den versicherungstechnischen Status als Freelancer.

Unter dem "Damokles-Schwert" der Scheinselbstständigkeit dürften weder Projektvermittler noch Freelancer Interesse daran haben, den Eindruck zu erwecken, der Freelancer wäre in den Betrieb des Auftraggebers fest eingebunden und würde durch die Mitversicherung kein eigenes Risiko tragen. Dies würde die Ansicht der Sozialversicherungsträger untermauern, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt.

Fazit: Die Aussage "Ich bin über meinen Auftraggeber mitversichert" ist für IT-Freiberufler mit vielen Haken, Risiken und Rechtsunsicherheiten verbunden. Eine automatische Mitversicherung ist äußerst selten gegeben, das heißt: Um im Falle eines Schadens nicht selbst zahlen zu müssen, empfiehlt sich der Abschluss einer eigenen Berufshaftpflichtversicherung.

Nähere Informationen bei Ralph Günther.

Der Autor behält sich alle Rechte am Artikel vor. © 2011 exali GmbH.

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