Betriebsprüfungen bei Freiberuflern
Ablauf und Umfang einer Betriebsprüfung

Betriebsprüfungen bei Freiberuflern
Ablauf und Umfang einer Betriebsprüfung
Anordnung einer Betriebsprüfung
Welche Unternehmen werden ausgewählt? Die Häufigkeit von Betriebsprüfungen hängt zum einen von der Größe des zu prüfenden Unternehmens ab, zum anderen gibt es eine Zufallsauswahl. Hierbei wird gerne Auffälligkeiten, die sich im Rahmen des Veranlagungsverfahrens ergeben haben, nachgegangen.
Anhaltspunkte sind etwa
- Abweichungen von internen Richtwerten der Finanzverwaltung,
- sprunghafte Änderungen oder Unglaubwürdigkeit von Bilanzwerten (Einnahmen-Überschuss-Rechnung) sowie Gewinn- und Verlustrechnungswerten,
- andauernde Verluste,
- Versuche der Verfahrensverschleppung
- und mangelnde Mitwirkung im Besteuerungsverfahren.
Neben den „echten“ Betriebsprüfungen gibt es Umsatzsteuersonderprüfungen (§ 193 AO) und die Umsatzsteuernachschau (§ 27b UStG). Hierbei handelt es sich um eine Bedarfsprüfung, die nur die Umsatzsteuer umfasst. Sie wird regelmäßig dann angesetzt, wenn etwa bei Neugründungen Vorsteuerüberschüsse entstehen, generell bei laufenden höheren Vorsteuerüberhängen, gerne auch bei Betriebsveräußerungen und -übernahmen.
Einleitung durch Betriebsprüfungsanordnung
Eingeleitet werden Betriebsprüfungen durch eine entsprechende Betriebsprüfungsanordnung, die dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wird. Hierbei werden Prüfungszeitraum und zu überprüfende Steuerarten, sowie der Beginn der Prüfung festgelegt. Die Prüfungsanordnung wird dem Selbstständigen laut § 197 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 5 Abs. 4 BpO „angemessene Zeit vor Beginn der Prüfung“ mitgeteilt – bei Großbetrieben ist von einer Frist von vier Wochen, in anderen Fällen von zwei Wochen auszugehen.
In einer laufenden Außenprüfung kann ein zunächst vorgesehener Prüfungszeitraum erweitert werden, wenn der Betriebsprüfer im Rahmen der Prüfung zum Ergebnis gelangt, dass nicht unerhebliche Steuernachforderungen aus anderen Zeiträumen zu erwarten sind. Maßgeblich für diese Beurteilung sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Prüfungsanordnung.
Verjährung: Formale Prüfungsvoraussetzungen genau ansehen
Betriebsprüfungen, damit auch Erweiterungsanordnungen, können stets nur für unverjährte Zeiträume durchgeführt werden. Die steuerliche Außenprüfung muss vor Ablauf der Verjährung begonnen worden sein (§ 198 AO) oder es muss eine Verschiebung der Außenprüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen erfolgt sein. Die Verjährung wird nicht gehemmt, wenn die vorgenommene Prüfung nicht durch den Prüfungsauftrag gedeckt ist. Dieses ist etwa bei nichtiger Prüfungsanordnung oder fehlender Prüfungsanordnung gegeben (insbesondere bei einer faktischen Ausdehnung der Prüfung über Zeiträume hinaus, für die bereits eine Prüfungsanordnung vorliegt).
Die Prüfungsanordnung selbst ist ein Verwaltungsakt. Bei nichtiger Anordnung besteht für die trotzdem ermittelten Prüfungsergebnisse ein Verwertungsverbot. Nach Eintritt der Verjährung kann eine nichtige Anordnung nicht mehr geheilt werden. Dies hat dann zur Folge, dass der entsprechende Zeitraum nicht mehr der Prüfung unterliegt. Bei verjährungsnahen Prüfungszeiträumen empfiehlt sich also eine Überprüfung der formalen Prüfungsvoraussetzungen.
Gesetzliche Regelungen
Allgemeine gesetzliche Regelungen zur steuerlichen Außenprüfung lassen sich der Abgabenordnung (§§ 193 ff. AO) und der Betriebsprüfungsordnung (BpO) entnehmen. Danach können steuerliche Außenprüfungen, gerne Betriebsprüfungen genannt, auch bei Selbstständigen durchgeführt werden, die regelmäßig Einkünfte aus freiberuflicher oder gewerblicher Tätigkeit erzielen. Voraussetzung für eine zulässige Betriebsprüfung ist, dass die einbezogenen Steuerarten und Veranlagungszeiträume aus Sicht der Finanzverwaltung überhaupt noch einer Überprüfung zugänglich sind.
Soweit keine Indizien für eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung (§§ 370, 378 AO) vorliegen, sind Prüfungen für festsetzungsverjährte Zeiträume (§§ 169 ff. AO) unzulässig. Der Betriebsprüfung unterliegen in der Praxis insbesondere Zeiträume, für die Steuerbescheide unter dem so genannten Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind. Ergehen Steuerbescheide ohne diesen Vorbehalt, ist dies ein starkes Indiz dafür, dass insoweit keine steuerliche Außenprüfung mehr zu erwarten ist.
Üblicherweise fassen Betriebsprüfungen mehrere Besteuerungszeiträume in einer Prüfung zusammen. Regelmäßig werden hierbei drei abgelaufene Veranlagungszeiträume, für die üblicherweise bereits Steuererklärungen abgegeben wurden, auf einmal geprüft (§ 4 Abs. 3 BpO).
Ort der Betriebsprüfung: Beim Freiberufler?
Die Betriebsprüfung kann entweder beim Steuerpflichtigen, bei dessen Steuerberater oder beim Finanzamt durchgeführt werden. Die Finanzverwaltung möchte Betriebsprüfungen vorrangig beim Steuerpflichtigen durchführen, § 6 BpO. Hierbei sollen für die Prüfung nützliche Einblicke in die Verhältnisse des Steuerpflichtigen gewonnen werden.
Aus Sicht des Steuerpflichtigen ist es indes meist wünschenswert, den Ort der Prüfung auf die Räume des Steuerberaters oder des Finanzamts zu verlagern. Das Verlangen des Finanzamts, die Prüfung beim Steuerpflichtigen durchzuführen, muss verhältnismäßig sein. Der Wunsch muss notwendig, erfüllbar und zumutbar sein. Insbesondere müssten also entsprechende Räumlichkeiten für die Durchführung der Prüfung zur Verfügung stehen. In der Praxis erklären sich Finanzämter bei Angabe entsprechender Gründe durch den Freiberufler regelmäßig damit einverstanden, dass Prüfungen beim Steuerberater oder im Finanzamt stattfinden.
Umfang der Prüfung
Betriebsprüfern sind alle betrieblichen Belege und Nachweise für die zu prüfenden Veranlagungszeiträume und Steuerarten vorzulegen. Sofern Nachweise nicht erbracht werden können, erfolgt eine Schätzung. Hierbei wird durch die Finanzverwaltung gerne eine Geldverkehrsrechnung oder eine Gesamtvermögenszuwachsrechnung als Hilfsmittel verwendet.
Betriebsprüfungen werden regelmäßig auch elektronisch durchgeführt, § 147 Abs. 6 AO. Grundlage hierfür sind die Grundsätze zum Datenzugriff und zu Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) der Finanzverwaltung.
Detaillierte Hinweise hierzu finden sich zum Beispiel unter www.bundesfinanzministerium.de und www.elektronische-steuerpruefung.de.
Häufig geprüfte Punkte bei der Betriebsprüfung
Fahrzeuge im Betriebsvermögen
Bei Fahrzeugen, die sich im Betriebsvermögen befinden, wird gerne der Nachweis gefordert, dass diese tatsächlich zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt werden. Auch der anzusetzende Privatanteil eines betrieblich genutzten Pkw wird regelmäßig überprüft. Wird hier nicht nach der Ein-Prozent-Regelung versteuert, sondern werden die Kosten durch Führen eines Fahrtenbuches ermittelt, erfolgt regelmäßig eine genaue Überprüfung des Fahrtenbuches. Hierbei ist, neben den inhaltlichen Anforderungen, zu beachten, dass Excel-Aufzeichnungen nicht anerkannt werden, da die Aufzeichnungen zeitnah und manipulationssicher zu erfolgen haben.
Geschenke und Bewirtungsaufwendungen
Gerne beleuchtet werden bei kleineren Unternehmen auch Vorgänge, die eine Verquickung des betrieblichen mit dem privatem Bereich möglich erscheinen lassen. Hierzu zählen Geschenke und Bewirtungsaufwendungen (vollständig ausgefüllte Bewirtungsbelege).
Häusliches Arbeitszimmer
Die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Büro oder Arbeitszimmer dem Grunde und der Höhe nach ist regelmäßig Gegenstand von Auseinandersetzungen. Sofern eigene Immobilien genutzt werden, entstehen Fragen der steuerlichen Verstrickung dieser Immobilie und Besteuerungsfolgen bei Aufgabe der eigenbetrieblichen Nutzung.
Gewerbesteuer ja oder nein?
Grundsätzlich kann bei Selbstständigen die Frage nach der ertragsteuerlichen Zuordnung der Einkünfte zu solchen aus freiberuflicher Tätigkeit oder solchen aus Gewerbebetrieb entstehen. Die Einordnung als Gewerbebetrieb führte zum Entstehen der Gewerbesteuerpflicht. Die Erbringung von IT-Beratungsdienstleistungen ist regelmäßig freiberuflich, insbesondere, wenn eine entsprechende formale Berufsausbildung besteht. Der Handel mit Hardware und Standardsoftware ist jedenfalls gewerblich.
Werden Tätigkeiten ausgeübt, die sowohl freiberuflich als auch gewerblich sind, so können bei mangelnder Trennung die gewerblichen Einkünfte die freiberuflichen Einkünfte „infizieren“, mit der Folge, dass Gewerbesteuerpflicht für beide Bereiche entsteht. (Anders ist es, wenn die Tätigkeiten in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft durchgeführt werden, dann ist stets Gewerbesteuerpflicht gegeben).
Verträge mit nahestehenden Personen
Gerne überprüft werden auch Vertragsverhältnisse zu "nahe stehenden Personen". Diese Rechtsverhältnisse müssen ernsthaft vereinbart und auch so durchgeführt werden. Die Finanzverwaltung prüft insbesondere die tatsächliche Durchführung und Einhaltung der Verträge, sowie ihre inhaltliche Drittüblichkeit (drittüblich bedeutet dabei in etwa: entsprechend der Konditionen zwischen unabhängigen Dritten).
Umsatzsteuer bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen
Umsatzsteuerliche Fragen nach dem zutreffenden Umsatzsteuerausweis treten insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auf. Hierzu zählt etwa die Erbringung von Dienstleistungen eines deutschen Selbstständigen im Ausland (Einhaltung der Voraussetzungen des Reverse-Charge-Verfahrens). Gleiches gilt bei grenzüberschreitender Veräußerung von Software oder Hardware. Hier gilt es Nachweise für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung oder Ausfuhrlieferung zu führen. Fehler können zur umsatzsteuerlichen Nachversteuerung führen.
Bei Fragen der Vorsteuerabzugsberechtigung aus erhaltenen Leistungen ist darauf zu achten, dass die Rechnung des Leistenden bzw. Lieferanten ordnungsgemäß ist und ein Nachweis seiner umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft gegeben ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann der Vorsteuerabzug aus diesen Leistungen verweigert werden.
Nach Anordnung: Unterlagen prüfen
Mit Ergehen der Betriebsprüfungsanordnung sollte die verbleibende Zeit bis zum Prüfungsbeginn genutzt werden, um die vorhandenen Unterlagen auf Verfügbarkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Es empfiehlt sich mit dem Betriebsprüfer das Vorgehen in der Betriebsprüfung abzustimmen. Häufig möchte der Prüfer zunächst eine elektronische Vorprüfung mit überlassenen Datenträgern im Amt durchführen. Bewährt hat sich auch die Bitte an den Betriebsprüfer, auftretende Fragen (in mehreren Schritten) zu bündeln, um diese dann zusammen im Kontext abzuarbeiten. Hierdurch wird der Fokus des Prüfers klarer erkennbar und das eigene Verhalten kann besser darauf abgestimmt werden.
Bei Unsicherheiten sollte der Steuerpflichtige sich jedenfalls den Rat seines Steuerberaters einholen, ehe er dem Betriebsprüfer gegenüber Unterlagen herausgibt oder Ausführungen macht, die später wieder zurechtgerückt werden müssen. Hier ist es natürlich förderlich, wenn die Prüfung von Haus aus direkt beim Steuerberater stattfindet und dieser damit der erste Ansprechpartner des Betriebsprüfers ist.
Schlussbesprechung
Die Betriebsprüfung endet mit einer Schlussbesprechung, § 11 Abs. 1 BpO, sofern hierauf nicht einvernehmlich verzichtet wurde. Im Vorfeld sind rechtzeitig der Besprechungstermin und die Besprechungspunkte (meist offene und strittige Sachverhalte und Feststellungen) anzugeben.
Diese Aufzählung der Besprechungspunkte im Vorfeld der Schlussbesprechung sollte vom Steuerpflichtigen intensiv zur inhaltlichen Vorbereitung der Schlussbesprechung genutzt werden. Es gilt fehlende Unterlagen zu beschaffen und Argumentationsketten für den eigenen Standpunkt zu entwickeln. Nur wer so gerüstet in die Schlussbesprechung geht, hat die Chance, seine Meinung durchzusetzen. Ansonsten ist er auf das Rechtsbehelfsverfahren (vgl. unten) angewiesen.
Teilnehmer der Schlussbesprechung sind
- der Steuerpflichtige,
- sein Steuerberater,
- der Betriebsprüfer,
- der Sachgebietsleiter des Finanzamtes,
- und selten der Vorsteher des Finanzamtes.
In der Regel wird versucht, in der Schlussbesprechung eine Einigung zu erzielen. Entsprechend wichtig ist es, vorbereitet in dieses Gespräch zu gehen. Die Einigung ist dann wirksam, wenn sie durch einen entscheidungsbefugten Beamten zugesagt wurde (regelmäßig der Sachgebietsleiter). Statthaft ist eine Einigung nur über tatsächliche Sachverhalte, nicht über steuerrechtliche Fragen. In der Schlussbesprechung sind diese Grenzen freilich häufig fließend. Nicht zuletzt deshalb wird häufig von einer gewissen „Basarmentalität“ anlässlich dieses Termins gesprochen. Wird in der Schlussbesprechung keine Einigung erzielt, wird die Finanzverwaltung ihre Ansicht umsetzen.
Geänderte Steuerbescheide
Im Anschluss an die Schlussbesprechung ergehen ein Betriebsprüfungsbericht und darauf basierend geänderte Steuerbescheide. Hiergegen steht das Rechtsmittel des Einspruchs, und bei Ablehnung des Einspruchs der Klageweg zum Finanzgericht offen. Konnte der Steuerpflichtige sich in der Schlussbesprechung mit seinen Ansichten nicht durchsetzen, hat er also zwei weitere, wenn auch mit mehr Aufwand verbundene, Chancen zu seinem Recht zu kommen.
Steuerstrafrecht
Sollte sich während der steuerlichen Außenprüfung der Verdacht aufdrängen, dass eine Steuerstraftat vorliegt, hat der Betriebsprüfer unverzüglich die Straf- und Bußgeldsachenstelle zu informieren. Gleichzeitig ist der Steuerpflichtige hierüber zu informieren und zu belehren, § 397 Abs. 3 AO. Erst danach ist die Betriebsprüfung fortzuführen. Der Steuerpflichtige hat in diesem Stadium der Betriebsprüfung keine Mitwirkungspflichten mehr. Er hat ein Aussageverweigerungsrecht. Wird trotz entsprechender Erkenntnisse durch den Betriebsprüfer weder unverzüglich belehrt, noch auf die Einleitung des Verfahrens hingewiesen, entsteht ein strafrechtliches Verwertungsverbot für diese Tatsachen.
Generell empfiehlt es sich, wenn man mit der Anberaumung einer Betriebsprüfung rechnet, zu überdenken, inwieweit steuerstrafrechtliche Tatbestände zutreffen könnten. Bis zur Bekanntgabe der entsprechenden Prüfungsanordnung besteht, sofern der Sachverhalt noch nicht anderweitig bekannt geworden ist, die Gelegenheit einer strafbefreienden Selbstanzeige im Vorfeld einer Prüfung.
Weitere Informationen zum Thema erhalten Sie bei Uwe Dörnbrack, Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei der Steuerberatungsgesellschaft Alexia Huber & Partner, Birketweg 21, 80639 München.
Der Autor behält sich alle Rechte am Artikel vor. © 2011 Uwe Dörnbrack