Lust auf Verlust? Steuererstattung durch rote Zahlen

Die meisten IT-Freiberufler verdienen sehr gut und bezahlen hohe Steuern. Während geschäftlicher Flauten, bei Krankheit, Unfall oder privaten Auszeiten kommt es jedoch zu Einnahmeausfällen. Verluste sind nicht schön – haben aber auch ihre Vorzüge.
gulp personaldienstleistung - freelancer - steuertipps

Lust auf Verlust? Steuererstattung durch rote Zahlen

Robert Chromow – Freiberuflicher Autor
Die meisten IT-Freiberufler verdienen sehr gut und bezahlen hohe Steuern. Während geschäftlicher Flauten, bei Krankheit, Unfall oder privaten Auszeiten kommt es jedoch zu Einnahmeausfällen. Verluste sind nicht schön – haben aber auch ihre Vorzüge.

Rote Zahlen sind für IT-Freiberufler angesichts günstiger Auftragslage, sprudelnder Umsätze und hoher Gewinne selten ein Thema. Und doch gibt es im Einzelfall Lebenssituationen und geschäftliche Konstellationen, bei denen am Jahresende unterm Strich ein Minus steht. Denken Sie nur an ...

  • Gründungsjahre mit hohen Investitionen,
  • Phasen längerer Krankheiten oder Unfallfolgen,
  • Babypausen oder die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger,
  • Sabbatjahre und andere freiwillige Auszeiten.

Obwohl Sie in diesen Zeiten wenig Einnahmen erzielen, laufen eine Menge geschäftlicher Ausgaben weiter: Angefangen bei der Büromiete über die Abschreibungen auf den Geschäftswagen und die Computer-Hardware bis hin zu Werbe- und Telekommunikationsaufwendungen.

Ihre Betriebsausgaben muss das Finanzamt grundsätzlich auch dann anerkennen, wenn Sie eine Weile geringe oder gar keine Einnahmen erzielen. Eine Pflicht, ununterbrochen zu arbeiten und Gewinne zu erzielen, gibt es nicht. Und dass Sie keine Einkommensteuer bezahlen müssen, wenn Ihr zu versteuerndes Einkommen unterhalb des Grundfreibetrags von zurzeit 9.000 Euro liegt, versteht sich auch von selbst.

Jahresübergreifender Verlustausgleich

Weit weniger bekannt ist dagegen der Anspruch auf den jahresübergreifenden Verlustausgleich: Mit dessen Hilfe holen Sie sich bereits gezahlte Steuern aus dem Vorjahr zurück (= Verlustrücktrag). Oder Sie lassen den Verlust für die Zukunft „anschreiben“ und mindern so die Steuerlast künftiger Jahre (= Verlustvortrag).

1. Verlustrücktrag

§ 10d Abs. 1 EStG sieht vor, dass „negative Einkünfte“ von bis zu einer Million Euro „vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums“ abgezogen werden dürfen. Bei zusammen veranlagten Ehepaaren liegt die Obergrenze für einen rückwirkenden Verlustausgleich sogar bei zwei Millionen Euro!

  • Die Einschränkung „unmittelbar vorangegangener Veranlagungszeitraum“ bedeutet, dass ein Verlustrücktrag nur ins direkte Vorjahr möglich ist. Verluste des Jahres 2018 führen also zu Erstattungen von Steuerzahlungen aus 2017. Steuern aus früheren Jahren erhalten Sie jedoch nicht zurück!
  • Die Formulierung „Gesamtbetrag der Einkünfte“ stellt klar, dass ein Verlustausgleich nicht etwa nur innerhalb einer bestimmten Einkunftsart stattfindet. Ein Minus aus der IT-Freiberuflichkeit kann also ohne Weiteres mit steuerpflichtigen Einkünften als Arbeitnehmer, Vermieter oder aus einem Gewerbebetrieb verrechnet werden. Das gilt sowohl für Rückträge als auch Vorträge von Verlusten.

Die Folge: Durch den Verlustrücktrag verringert sich das zu versteuernde Einkommen des Jahres 2017 von 90.000 Euro um 35.000 Euro auf 55.000 Euro. Dadurch sinkt die Steuerbelastung um etwa die Hälfte: Das Finanzamt stellt einen neuen Steuerbescheid für 2017 aus und zahlt anstandslos rund 15.500 Euro Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zurück!

2. Verlustvortrag

Falls der Verlust durch einen Rücktrag ins Vorjahr noch nicht komplett kompensiert ist (oder Sie freiwillig auf den Verlustrücktrag verzichten), dürfen Sie die noch „nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte“ gemäß § 10d Abs. 2 EStG mit steuerpflichtigen Einkünften der Folgejahre verrechnen lassen.

Eine zeitliche Befristung gibt es beim Verlustvortrag nicht. Mit anderen Worten: Sie dürfen rote Zahlen vor sich herschieben, bis sie schwarz werden. Allerdings gelten folgende betragsmäßige Obergrenzen für Verlustvorträge:

  1. Singles:
    • voller Verlustausgleich für (verbliebene) Verluste bis zu einer Million Euro
    • darüber hinaus: 60 Prozent des eine Million Euro überschreitenden Betrags
  2. Zusammen veranlagte Ehepaare:
    • voller Verlustausgleich für (verbliebene) Verluste bis zu zwei Millionen Euro
    • darüber hinaus: 60 Prozent des zwei Millionen Euro überschreitenden Betrags

Angesichts des meist vergleichsweise geringen Investitionsbedarfs sind Verluste in Millionenhöhe bei IT-Freiberuflern zum Glück kaum zu befürchten.

Bitte beachten Sie:

IT-Profis, die ihre Leistungen als „Körperschaft“ vermarkten (z. B. im Rahmen einer GmbH oder Genossenschaft), müssen beim Verlustausgleich besondere Vorschriften beachten. 

Fazit

Schwankende Gewinne und Verluste durch berufliche Auszeiten, Krankheit, Unfall oder auch geschäftliche Flautephasen sind ganz legal und völlig legitim. Verluste sind keine Steuer-Straftaten! In fetten Jahren bezahlen Sie hohe Steuern: Da ist es Ihr gutes Recht, in mageren Jahren davon etwas zurückzubekommen. Falls Sie aus persönlichen oder geschäftlichen Gründen andauernd Verluste einfahren, wird das Finanzamt Ihnen allenfalls irgendwann „Liebhaberei“ unterstellen. Das geschieht aber frühestens nach ein paar Jahren.

Wie Sie absehbare Verluste optimal mit bereits gezahlten Steuern verrechnen oder für die Zukunft anschreiben lassen, besprechen Sie am besten mit Ihrem Steuerberater. Falls Sie noch keinen Berater haben, leistet der GULP-Beitrag „Brauchen Freiberufler einen Steuerberater?“ erste Hilfe.

Robert Chromow, freiberuflicher Autor

Robert Chromow ist gelernter Industriekaufmann, Betriebswirt und Politikwissenschaftler. Seit zwanzig Jahren arbeitet er als Berater, freiberuflicher Journalist und Autor im eigenen Redaktionsbüro. Print- und Online-Medien geben bei ihm Fach- und Serviceartikel in Auftrag. Außerdem schreibt er Software-Handbücher, Webtexte und Newsletter für Unternehmen.